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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kwei Quartey
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Ihnen mitteilen, dass wir Ebenezer Sarpong heute Morgen ermordet aufgefunden haben.«
    Patience zuckte auf ihrem Stuhl zurück, als hätte sie einen Stromschlag bekommen. »Oh, Ewurade, nein! Wo?«
    »In Jamestown.«
    Patience wirkte tieftraurig. »Er war ein wirklich vielversprechender Junge. Mit unserem Computerprogramm hat er lesen und schreiben gelernt ...« Sie verstummte, als ihre Stimme kippte und Tränen in ihre Augen traten. »Ich will gar nicht wissen, wie er umgebracht wurde. Ich hoffe nur, dass er nicht zu sehr gelitten hat.«
    »Inspector Dawson fragt, ob Ebenezer irgendwelche Rivalen hatte, die ihm etwas antun wollten«, sagte Genevieve.
    »Von einem weiß ich mit Sicherheit. Ein junger Mann namens Tedamm. Unter den Kids ist er so etwas wie der Schläger der Stadt. Er ist älter und stärker als die meisten von ihnen, und mit den Jahren hat er sich eine Vormachtstellung gesichert. Unter anderem zwingt er die anderen, ihm einen Teil ihres Verdienstes abzugeben als Gegenleistung für die Jobs, die er ihnen auf der Straße besorgt.«
    »Einmalig?«, fragte Dawson.
    »Oh nein, Inspector. Jede Woche oder jeden Monat.«
    Dawson staunte. »Das dürfte ziemlich lukrativ sein.«
    »Ja, und wehe, wenn er nicht kriegt, was ihm angeblich zusteht. Tedamm ist skrupellos, und die wenigsten Jungen können es mit ihm aufnehmen.«
    »Hatte er Streit mit Ebenezer?«
    »Ebenezer führte eine Schuhputzertruppe in Lartebiokorshie an. Tedamm behauptete, sie wären in seinem Revier, aber Ebenezer ließ sich von ihm nicht einschüchtern. Er war ziemlich mutig.«
    »Wäre Tedamm ein Mord zuzutrauen?«, fragte Dawson.
    Patience sah ihn an. »In der Welt der Odachlosen, der Armut und der Verzweiflung kämpft man ums Überleben. Da gibt es bei einem Kampf keine Grenzen.«
    »Ich muss mit Tedamm sprechen«, sagte Dawson.
    Patience blickte kurz zu Genevieve. »Sie können mit mir kommen, Inspector, ich wollte sowieso gleich los. Dann fragen wir herum, wo er steckt.«
    »Danke, das ist mir sehr recht.« Er neigte sich ein wenig vor. »Ungefähr vor zwei Wochen wurde ein toter Junge in der Korle-Lagune gefunden.«
    »Ja, darüber habe ich in der Zeitung gelesen«, sagte Patience. »Er war ein Karrenjunge.«
    »Richtig. Er hieß Musa Zakari. Kannten Sie ihn?«
    »Nein.«
    Sie sah zu ihrer Chefin, die den Kopf schüttelte. »Ich auch nicht. Aber sicherheitshalber fragen wir Socrate Tagoe, unseren Fotografen, der auch unsere Website betreut. Eventuell sagt ihm der Name etwas.«

22
    Dawson hatte sich Socrate dünn und eulenhaft vorgestellt. Er irrte. Socrate war etwa einen Meter achtzig groß und wog an die zweihundertfünfzig Pfund. Sein Büro wirkte viel zu klein für ihn, zumal sich dort noch ein Laptop, ein Computer, ein Faxdrucker, haufenweise Akten und Kästen mit CDs und DVDs stapelten.
    »Socrate kümmert sich um unsere Website«, erklärte Genevieve, als sie die beiden Männer bekannt machte, »aber er geht auch gern raus und fotografiert unsere Straßenkinder, nicht wahr, Socrate?«
    Er versuchte zu lächeln, als seine Augen für einen kurzen Moment von Genevieve zu Dawson wanderten und gleich wieder zurück. Dawson begriff instinktiv, dass der Mann eigentlich nicht gern rausging, um die Straßenkinder zu fotografieren. Er tat es für Genevieve; ginge es nach ihm, würde er den ganzen Tag vor seinem Computer verbringen. Socrate war sicherlich keine Patience.
    »Socrate«, sagte Genevieve, »hast du schon mal von einem Musa Zakari gehört?«
    Er rieb sich das Kinn. »Der Name sagt mir nichts, aber ich kann in meinen Unterlagen nachsehen.« Seine Stimme klang nasal und gequetscht.
    »Danke. Tu das, während ich Inspector Dawson herumführe.«
    Genevieves Zimmer und die übrigen Verwaltungsbüros waren im Erdgeschoss. Es gab ein Gemeinschaftsbüro für vier Sozialarbeiter, obwohl SCOAR derzeit nur zwei beschäftigte.
    »Budgetkürzungen«, erklärte Genevieve. »Die Mittel sind knapp.«
    »Ja, das sind sie überall«, pflichtete Dawson ihr bei.
    »Die meisten unserer Gelder kommen von europäischen Hilfsorganisationen, doch deren Vertrauen in uns hat über die Jahre abgenommen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wie Sie schon sagten, die Mittel sind überall knapp. Und Spender wollen ihre Hilfsgelder nicht mehr in ein Fass ohne Boden stecken. Sie sagen, wenn wir nicht eine bestimmte Anzahl von Jugendlichen wiedereingliedern können, sie auf Schulen schicken oder ihnen Ausbildungsplätze vermitteln, warum sollen sie uns dann Geld geben?

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