Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kwei Quartey
Vom Netzwerk:
beim Sprechen etwas zur Eile antreiben. »Kriminalität ist ein zentrales Thema. Wie mir Socrate erzählt hat, ermitteln Sie in zwei Morden an Straßenjungen, von denen der eine häufig hier im Zentrum war.«
    »Stimmt.«
    »Ich würde gern mit Ihnen über die Fälle reden, wenn Sie mehr wissen, Inspector. Wäre das möglich?«
    »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Wie weit gehen Sie bei Ihren Recherchen in die Vergangenheit zurück?«
    »Ungefähr fünfzig Jahre. Städtische Verbrechensmuster haben sich verändert, und vieles davon hängt unmittelbar mit Migranten und solchen Gruppen zusammen, die nur vorübergehend in den Städten leben.«
    »Ich nehme an, Sie kennen Dr. Allen Botswe?«
    »Ja, gut sogar. Er war letztes Jahr einer meiner Professoren. Ein großartiger Mann. Woher kennen Sie ihn?«
    Dawson erklärte es ihm.
    »Wie klein die Welt doch ist«, sagte Austin.
    Dawson wandte sich zu Socrate. »Haben Sie Musa in Ihren Aufzeichnungen gefunden?«
    »Nein, Sir, leider nicht.«
    »Danke, dass Sie es versucht haben.«
    Patience erschien in der Tür. »Inspector? Ich wäre jetzt so weit. Wollen wir?«

23
    Auf der Fahrt zu ihrem ersten Halt erzählte Patience ihm, welche Treffpunkte der Straßenkinder sie an normalen Tagen aufsuchte.
    »Grundsätzlich kann man sagen, wo gehandelt wird, sind auch Straßenkinder, denn da finden sie Jobs. Lasten tragen, putzen, fegen, den Händlern helfen und Autos waschen – solche Sachen. Auf den Busbahnhöfen und Lastwagenparkplätzen zum Beispiel sind immer Jungen, die sich als Träger für Gepäck, Gemüse, Obst oder Getreide anbieten, ebenso auf den großen Märkten. Dort spreche ich sie an und versuche, mit ihnen über Drogen, Sex, Alkohol, Prostitution, AIDS und andere Themen zu reden.«
    »Diese Probleme bringen Sie sicher nachts um den Schlaf«, sagte Dawson.
    »Ja.« Sie lächelte ihm zu. »Da haben Sie recht, und dabei haben Sie mich eben erst kennengelernt. Das Traurige ist, dass viele Leute behaupten, diese Kinder wären an dem Schmutz und den Krankheiten in der Stadt schuld . Dabei kommen sie an einen Ort, der bereits verdorben ist, und werden in das Elend hineingezogen. Viele Meinungen über diese Kinder finde ich zynisch und besorgniserregend. So haben zum Beispiel Menschen aus der Arbeiterklasse oft nichts als Verachtung für die Straßenkinder übrig. Und ganz besonders schlimm stehen sie zu Mädchen und Jungen aus dem Norden Ghanas. Ich habe schon gehört, wie diese als Tiere bezeichnet wurden. Ist das nicht entsetzlich?«
    »Wo Sie gerade den Norden erwähnen«, sagte Dawson,»ich bin auf der Suche nach einem neunjährigen Jungen, Sly. Kennen Sie ihn zufällig?«
    Patience schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, den kenne ich nicht.«
    Sie wusste, dass die Brooklyn Gang ihren Schlafplatz unweit vom Bahnhof hatte, deshalb fuhr sie zum Kantamanto-Markt ganz in der Nähe. Sie stellte ihren Wagen auf einem bewachten Parkplatz neben der Merchant Bank gegenüber ab, wo sie den Wächter überredete, sie unentgeltlich parken zu lassen.
    Dawson überquerte mit Patience zusammen die Kwame Nkrumah Avenue und ging durch das Tor auf den großen, ungepflasterten Bahnhofsplatz. Bedachte man, welche Raumknappheit in der Stadt herrschte, war es erstaunlich, wie viel Land um dieses stillgelegte Gebäude herum brachlag. Das ganze Grundstück war von einer Mauer eingefasst. Dreißig Meter zur Rechten gab es an der Südmauer zwei Latrinen, eine für Männer und eine für Frauen – simple Holzverschläge mit leuchtend blauen Türen. Die Benutzung kostete zwanzig Pesewas.
    Hinter den Latrinen und jenseits eines breiteren Abwassergrabens befand ich eine leicht erhöhte Fläche, die sich bis zur Ostmauer erstreckte. Auf der anderen Seite der Mauer verlief die Nkrumah Avenue. Etwa in der Mitte der Mauer, die über die gesamte Länge des Bahnhofsgebäudes verlief, befand sich eine Müllhalde.
    Die Bahnhofsuhr war um fünf Uhr zweiunddreißig stehen geblieben. Das lachsfarben und grau gestrichene Gebäude mit dem verrosteten Blechdach wirkte trist und bedrückend. Dabei handelte es sich um ein schönes Stück alter Architektur, das sich auch für ein Museum geeignet hätte, wenn sich jemand die Mühe machte, es zu renovieren. Doch Dawson wusste, dass das garantiert niemand tun würde. Dieses Haus würde schlicht verfallen.
    Wäsche und Moskitonetze hingen zwischen den Verandasäulen herum, und überall standen Töpfe und Pfannen. In einem Bereich, der früher der Wartesaal

Weitere Kostenlose Bücher