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Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition)

Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition)

Titel: Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Kanzlerinnenschaft zum antifeministischen Halali zu blasen, ist Feminismus plötzlich wieder ein Partyhit. Die größte deutsche Wochenzeitung versammelte angesagte Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen, Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen, um sie vom Titelblatt herab fordern zu lassen: »Wir brauchen einen neuen Feminismus!« Frauenmagazine berichten über das Thema, als sei »Emanzipation« die jüngste Duftkreation aus dem Hause Calvin Klein. In Talkshows wird so entspannt über die Möglichkeiten einer neuen Frauenbewegung geplaudert, dass man meinen könnte, es gehe um eine neuseeländische Trendsportart. Doch sind wir ernsthaft reif für einen »neuen Feminismus«? Und wenn ja, wie müsste sich dieser vom »alten Feminismus« unterscheiden?
    Historisch gesehen waren die Frauenbewegungen stets Nachbeben von gesamtgesellschaftlichen Erschütterungen: Olympe de Gouges veröffentlichte ihre »Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin« zwei Jahre nach Ausbruch der Französischen Revolution, die erste deutsche Frauenbewegung nahm ihren Anfang in den Nachwehen der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848, die zweite deutsche Frauenbewegung, der 7oer-Jahre-Feminismus, ist ohne die Studentenrevolte von 1968 nicht zu denken. Die Kräfte, die 1989 beim Zusammenbruch des real existierenden DDR-Sozialismus freigesetzt wurden, erzeugten keine feministischen Energien (mit Ausnahme jenes kurzen, halb erfolgreichen Aufschreis, als es in der ersten Hälfte der 9oer darum ging, das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch gesamtdeutsch zu regeln) – dafür brachten sie die erste Frau ins Kanzleramt.
    Angela Merkels Karriere ist exemplarisch für das, was Emanzipation in den vergangenen zwei Jahrzehnten bedeutete: Beherzte Einzelkämpferinnen nutzen die Aufstiegschancen, die die Gesellschaft ihnen bietet – und die beherzteste von allen hat bewiesen, dass es möglich ist, selbst das mächtigste Amt im Lande zu erobern. Mit Feminismus hat das allerdings nichts zu tun. Und die Signale, die solche individuellen Emanzipationserfolge an die Geschlechtsgenossinnen aussenden, sind ambivalent. Die beherzten ermuntern sie, sich gleichfalls noch mehr ins Zeug zu legen, nach dem Motto »Schaut her, es geht!« Die weniger beherzten machen sie aggressiv oder demoralisieren sie, indem sie ihnen bedeuten: »Selbst schuld, Mädels, wenn ihr weiter als emsige Stubenbienen unter der gläsernen Decke kreist und den Durchbruch nicht schafft.«
    Feminismus hatte immer mit deutlich sichtbaren Mauern zu tun, gegen die die Schwestern untergehakt anrennen konnten. In den großen feministischen Kämpfen der Vergangenheit ging es zwar auch darum, die Mauern in den Köpfen niederzureißen – aber in erster Linie ging es um konkrete politische Forderungen bzw. rechtliche Gleichstellungsschritte. Diese Kämpfe sind in der westlichen Welt mit dem Ende des 20. Jahrhunderts – wenigstens vorläufig – ausgefochten. Obwohl es ein antiquarisches Ärgernis erster Klasse ist: Das Ehegattensplitting allein wird keine skandierenden Frauenhorden auf die Straßen treiben. Die luxuriöse Crux des Feminismus im 21. Jahrhundert ist, dass er vorrangig gegen gläserne Decken anrennen muss – die zwar einerseits nicht so robust sind wie Mauern, von denen sich aber andererseits leicht behaupten lässt, dass sie lediglich in der Fantasie überspannter Weiberhirne existierten.
    Zahlreiche Einzelkämpferinnen haben damit begonnen, die gläsernen Decken zu durchstoßen – aber wie der Name sagt: Jede für sich. Und insgesamt immer noch zu selten, als dass die Gralsritter keine Chance mehr hätten, nach jedem erfolgreichen Durchbruch den Glaser zu rufen, damit er flugs eine neue Decke einzieht. Wenn man den diversen Hysterien einflussreicher Männer aus der letzten Zeit nachlauscht, kann man jedoch den Eindruck haben, den Glasern gingen langsam die Scheiben aus. Deshalb ist eine feministische Forderung, die keine politische Bewegung braucht, aber dennoch höchst effektiv sein dürfte: »Liebe Einzelkämpferinnen, entschuldigt euch nicht dafür, ein Betriebsunfall zu sein, sondern achtet darauf, dass nach euch kein Glas mehr wächst!«
    Der beste Kandidat, einen neuen Feminismus auf breiter gesellschaftlicher Basis zu organisieren, dürfte der neu entbrannte Streit um Mutterschaft und Familie sein. Die in den 90er Jahren von Hera Lind und anderen Superweibern verbreitete Illusion, mit ein bisschen Lässigkeit und Organisationstalent seien Karriere und Familie locker

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