Achilles Verse
kostet nichts, jeder kann es, sogar Calmund. Manche Langstreckler
sehen selbst im heftigsten Wirtschaftsaufschwung aus, als wären sie auf dem Weg zur nächsten Suppenküche. Das Essen würden sie allerdings ablehnen. Könnte ja das Wettkampfgewicht ruinieren. Die Portion nimmt dann Calli.
Meine Psyche funktioniert leider völlig anders: In Krisen will ich nicht laufen, sondern jede Käserinde verschlingen, die irgendwo herrenlos herumliegt. Wer weiß, ob es nicht die letzte ist. So wächst der Druck, bald wieder raus zu müssen: Hit the road, Achim. Und dann überholt mich die nächste Gräte. Meine Tempohärte stagniert, aber die mentale Ausdauer ist sensationell.
Ausgerechnet
Mit ein paar Rechnungen können Sie recht einfach ermitteln, wie hoch Ihr täglicher Kalorienbedarf ist und wie lange Sie laufen müssen, um signifikant Kalorien zu verbrauchen. Sind Sie zum Beispiel eine Frau, 30 Jahre alt und arbeiten in einem Büro, benötigen Sie am Tag durchschnittlich 2300 Kilokalorien. Als Mann liegt Ihr Bedarf bei 2900 kcal. Wenn Sie einer anstrengenden körperlichen Arbeit nachgehen oder den ganzen Tag auf dem Sofa faulenzen, erhöht bzw. verringert sich Ihr täglicher Energiebedarf. Eine weitere Faustformel besagt: Je älter Sie werden, desto weniger Kalorien benötigen Sie.
Wenn Sie nun zweimal in der Woche jeweils 5 Kilometer gemütlich traben, verbrauchen Sie dabei insgesamt etwa 680 kcal (bei einem Körpergewicht von 50 Kilogramm) oder 1360 kcal (bei 100 Kilogramm). Um eine Tafel Vollmich-Nuss-Schokolade (520 kcal) abzutrainieren, müssen Sie eine Stunde laufen, für eine Bockwurst (300 kcal) etwa eine halbe und für eine Pizza Salami (858 kcal) anderthalb. Während eine Flasche Wasser null Kalorien hat, schlägt ein halber Liter Cola mit 225 kcal zu Buche, was immerhin einer halben Stunde Dauerlauf entspricht. Mehr Rechnungen rund ums Essen und Laufen finden Sie in »Achilles’ Lauf-Gourmet«.
Laufen ist eine lebensgefährliche Sache, fast so riskant wie Atmen oder Liegen. Die Angst ist deshalb bei jedem Schritt dabei. Powerrunner laufen ständig auf der Rasierklinge. Nur ein kleiner Fehler – und alles ist vorbei.
Schon nach wenigen Minuten zieht es in meiner rechten Schulter gar teuflisch, so ein stechendes, glühendes Pochen, als bohre sich ein angefeilter Walkstock unters Schlüsselbein. Zöge es links, könnte es Zeichen für einen Infarkt sein. Rechts, das reicht immerhin noch für ein Lungenödem. Oder Krebs.
Wie viele Läufer mögen allein deswegen laufen, weil sie glauben, dass sie so Tumoren oder anderen Gebrechen entwischen? Angst ist es, die den Läufer treibt. Angst vor Dicksein, Angst, von den Arbeitskollegen für faul gehalten zu werden, Angst, dass die Sportskameraden »Uschi« sagen, Angst, sich mit der Gattin daheim unterhalten zu müssen, Angst, langsamer zu sein als vergangenes Jahr, Angst, sich in Internetforen von psychotischen Verschwörungstheoretikern die Welt erklären lassen zu müssen, Angst vor Chlamydien, Fußschweiß, Fußgeruch oder Fußpilz, Angst zu sterben.
»Der leiseste Schmerz kann Indiz für eine ernsthafte Erkrankung sein«, liest Mona vor. Sie sitzt im Ohrensessel und studiert die »Bild am Sonntag«, das Fachblatt für Alltagspanik und Modekrankheiten.
»Infarkte strahlen«, trägt Mona im Medizinerton vor. Au weia, die Zeitung lügt ja nicht. Streng genommen dürfte ich dann gar nicht mehr aufstehen. Die Schienbeine fühlen sich an, als sei in Senf getauchter Stacheldraht drum herum gewickelt. Aus den Waden strahlt es besonders gemein, fast bis in die Herzkammer. Und die Sehne, die sich vom Schritt bis zum Knie zieht, ist aufs Schmerzlichste gespannt. An guten Tagen kann man sie fiepen hören.
Vielleicht kündigen sich Infarkte auch durch Geräusche an. Wenn ich mich an das Stechen in der Schulter gewöhnt habe, fangen die Füße zu knacken an. Es können auch die Knöchel sein. Oder die Knie. Oder alle drei. Das Medicum-Terzett. Nach etwa 90 Minuten kommt ein unerklärliches Lungenrasseln dazu. Da hilft auch kein mehrfaches großvolumiges Abspeicheln in allen Farben des Regenbogens. Vielleicht bleibt wenigstens ein Walker drin kleben. Ich rassele, fiepe und knacke also vor mich hin und fühle mich wie einer dieser Musikanten, die gleichzeitig Mundharmonika und Gitarre spielen und auf dem Rücken eine Trommel tragen. Ich sollte an einer Interpretation der kenianischen Nationalhymne feilen und bei »Wetten, dass …?« auftreten.
Glaubt man Sportmedizinern,
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