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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Ein Fitnessstudio ist genau das Gegenteil: zu warm, zu hell und exzellente Bodenhaftung nach allen TÜV-Normen des Planeten.
Natürlich ist es für den naturliebenden Ausdauersportler eine Zumutung, zwischen steppenden Hausfrauen und muskelschweren Gorillas seinen Übungseinheiten nachzugehen. Aber schaden kann es auch nicht. Mit ein paar Hörbüchern auf dem MP3-Player kann man sich von der Umwelt abschotten. Sinnvoll ist es, auf dem Laufband eine nicht zu knappe Steigung einzustellen. Denn die federnde Gummimatte, die da unter den Füßen läuft, verleitet dazu, die eigene Leistung völlig zu überschätzen. Die Tempoangaben der Maschine sind allemal zu großzügig bemessen und in der freien Wildbahn nicht wiederholbar. Ob sich eine Mitgliedschaft für das Winterhalbjahr lohnt, muss jeder Läufer selbst entscheiden. Zur Not tut’s auch ein Mc-Studio, wo sich der lasche Mittelbau des Läufers an den Kraftmaschinen stärken lässt.

Dr. Matthias Marquardt empfiehlt Trainingseinheiten mit Freihanteln und auf der Gymnastikmatte sowie an den Kraftgeräten, wo besonders die Gesäßmuskeln – ein Schwachpunkt bei Läufern – trainiert werden sollten.

Schlimm ist es, von magersüchtigen Extremathleten ohne erkennbares Gesäß überholt zu werden, findet Achim Achilles. Er kennt auch die wahren Helden des Sports: Menschen, bei denen die Gelenke unter zeltartigen Beinkleidern knacken.

    Auf jedem Konto Miese, nur bei den Kalorien ende ich wieder im Plus. Also gut: Das sonntägliche Mittagessen knicken, das Nickerchen auch, stattdessen raus ins Schneegestöber. Statt Glückshormonen ununterbrochen den Doofmann-Song »Alleinallein« im Ohr. Egalegal.
    75 Minuten müssen es sein, um das Konto zu nullen, habe ich errechnet. Also freiwillig die große Runde durchs graue Industriegebiet ziehen. Alleinallein hat immerhin einen Vorteil, wenn die Schneeflocken ins Gesicht donnern: Ich bin ziemlich schnell, gefühlt jedenfalls. Kurz vorm Fliegen. Nur meiner Schwere ist zu verdanken, dass ich nicht gleich abhebe.
    Plötzlich rhythmisches Hecheln im Nacken. Klingt eher nach Sport als nach Hund. Lieber nicht umdrehen, keine Schwäche zeigen. Ich bin nicht mehr alleinallein, sondern auf der Flucht. Aber nicht lange. Der Sportskamerad zieht vorbei, grüßt ekelhaft freundlich und rennt einfach locker weg. Natürlich könnte ich dran bleiben. Ich will aber nicht. Denn kaum hänge ich an seinen Hacken, wird er aufdrehen. Ich darf mir also aussuchen, ob ich jetzt oder gleich
gedemütigt werde. Ich leide. Deklassiert ausgerechnet von diesem Wichtel, mindestens zehn Jahre älter, dafür zehn Kilo leichter. Bestimmt magersüchtig. Das Textil schlabbert um seine knochige Kehrseite. Keinen Hintern in der Hose, würde Mona sagen. Dafür leider schnell. Po oder Contra, das ist die Frage.
    Leider beweist das laufende Skelett die alte Regel: Ein Kilogramm weniger macht ein knappes Prozent schneller. Bei 45 Minuten auf zehn Kilometer bedeuten runtergehungerte drei Kilo eine um zwei Minuten bessere Zeit, ganz ohne Training. Man kann sich Bestzeiten erhungern. Die ideale Strategie für die Wirtschaftskrise. Selbst Reiner Calmund hat 30 Kilo abgeworfen, als das Untier Joey Kelly ihn trainiert hat. Man sieht’s zwar nicht, aber die gesamtgesellschaftliche Symbolik ist klar: Schluss mit Wohlstandswampe; wir müssen den Gürtel enger schnallen.
    Walross Calli hat allerdings den Vorteil, dass er mit 150 Kilo Lebendgewicht schon im Alltag doppelt so viele Kalorien verbraucht wie ein Normalgewichtiger. Die Masse will halt bewegt werden. Muss der wulstige Leib allerdings auch nur annähernd auf Lauftempo beschleunigt werden, stoßen Physik und Ästhetik schnell an Grenzen. Freizeitsportler wie Calmund sind die wahren Helden der Laufstrecke: Jeder Schritt ein Martyrium, zeltartige Gewänder, die Gelenke krachen, auch wenn jede Nacktschnecke überholt. Dafür gibt es gehässige Blicke von den Routiniers.
    Und wofür? Selbst wenn Calmund zwei Kilo im Monat schafft, braucht er zwei Jahre, um immer noch 20 Kilo Übergewicht mit sich herumzuschleppen. Keiner, der seit Jahren mit seiner Laufgruppe durch den Wald zuckelt, kann sich diese Ausdauerleistung vorstellen. Andererseits: Es ist auch über Jahre eine gewisse Ignoranz erforderlich, das Wanstwachsen nicht mitzubekommen, auch wenn der Trend zur Speckreserve im menschlichen Unterbewusstsein verankert ist: Vorräte bunkern für schlechte Zeiten.
    Laufen ist ebenfalls eine Strategie für schlechte Zeiten –

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