Achilles Verse
Energiekekse oder Proben von Latschenkiefer-Fußsalbe
aus der Apotheke zusteckt, hat mich neulich mitleidig beobachtet, wie ich versucht habe, die Stufen zu erklimmen: rückwärts. Die Knie ließen sich einfach nicht mehr durchbiegen. Mona ist wunderbar. Ich habe ihr den Trainingsplan gezeigt. »Du bist verrückt, Liebling. Das schaffst du nie«, sagte sie in ihrer aufmunternden Art. Von Aldi hat sie mir Rheuma-Badezusatz mitgebracht. Soll gut sein für die Durchblutung. Also einen ordentlichen Schuss ins Badewasser. Nach drei Minuten bin ich schreiend aus der Badewanne gefahren. Woher soll ich wissen, dass man das Zeug mit der Pipette dosieren muss? Jede Berührung mit dem Handtuch brannte wie das Fegefeuer. Mona hat wortlos den Boden gewischt. Ich saß zähneklappernd auf dem Badewannenrand. Dann bin ich ins Bett gegangen. Mit drei großen Sofakissen unter den Beinen klappte es. Kaum wurde das Hautbrennen weniger, kam das Beinbrennen zurück.
Heute Abend sind wir bei »Supi«-Roland von oben eingeladen, vierter Stock, kein Aufzug, drittklassige Reklame-Fuzzis, die versuchen, Bordeaux-Lagen richtig auszusprechen. Wir sollen um acht Uhr da sein. Wenn ich um Viertel nach sieben vorsichtig rückwärts starte, kann ich es halbwegs pünktlich schaffen.
Qualität kommt von Qual!
Es ist nur ein schwacher Trost, aber immerhin: Jedem tut es weh. Die letzten Monate vor dem Marathon sind nichts für zarte Seelen. Gerade Novizen, die sich erstmals an die 42 Kilometer wagen, werden überrascht sein über einige merkwürdige körperliche Reaktionen, wie etwa Heißhunger-Attacken, lähmende Müdigkeits-Anfälle, schwankende Stimmungslagen. Drei Monate lang einmal wöchentlich die Sprinteinheit, etwa sechs- bis achtmal 1000 Meter auf der Bahn, und einmal die lange Strecke von drei bis dreieinhalb Stunden, dazwischen einen längeren ruhigen und längeren flotten Lauf – das ist das Minimalprogramm einer ordentlichen Marathon-Vorbereitung. Freaks bringen es auf mehr als sieben Trainingseinheiten die Woche, wenn sie etwa am Wochenende zweimal am Tag die Laufschuhe schnüren.
Gerade Anfänger, die ihre körperlichen Signale noch nicht so gut kennen, sollten allerdings vorsichtig sein. Die Gefahr von Übertraining lauert ebenso wie das Verletzungsrisiko. In beiden Fällen sind längere Pausen angezeigt und bringen den ganzen schönen Formaufbau durcheinander. Deswegen gilt: Jedes Warnsignal wie Schmerzen, die
über Nacht nicht verschwinden, Appetitlosigkeit oder trockene Lippen nicht ignorieren, sondern beobachten und gegebenenfalls mit Doc oder Trainer analysieren. Eine Blutuntersuchung beim Hausarzt gibt häufig Aufschluss über mögliche Gefahren. Am Ende gilt: Lieber einen Tag aussetzen und regenerieren als wochenlange Zwangspausen wegen übertriebenen Ehrgeizes. Es gilt Konfuzius: Balance ist alles.
Das Gute am Laufen ist, dass man sich viel an der frischen Luft bewegt. Tief durchatmen! Sauerstoff, jaaa! Was hat dagegen schon ein Etablissement in Stahl und Glas zur Körperertüchtigung zu bieten?
Mona geht ins Fitness-Studio, mindestens zweimal die Woche. Fitness-Studio ist wie Frauenzeitschrift. Die immer gleiche Story wird immer neu erzählt: ohne Mühe neuer Mensch. Der heißeste Trend ist Xco, was woanders Flexi-Bar heißt. Mona glaubt dran. Der Flexi-Bar ist ein dünner Metallstab von eineinhalb Metern Länge, mit Gewichten an den Enden. Das Ding muss man zum Wackeln bringen. Die Wackelwellen rütteln den Körper und vor allem jene teigigen Lappen durch, die sich gern an den Oberarmen reiferer Frauen ablagern.
»Mehr Staubsaugen. Oder die Bierkästen selbst tragen, anstatt sie von Ahmed liefern zu lassen«, habe ich, der einfühlsame Personal Coach, meiner Gattin empfohlen. Sie hat nur geschnaubt und den Xco-Handschuh nach mir geworfen. »Oder auf die Waschmaschine setzen, wenn sie schleudert. Dann wird das hintere Bindegewebe gleich noch gerüttelt.« Doch Mona ist mental imprägniert. Sie trägt den sturen Gesichtsausdruck des Walkers: Mona will Xco unbedingt für großen Sport halten.
Neulich hielt sie mir einen Gutschein für ein kostenloses Schnuppertraining
unter die Nase. »Komm doch mal mit. Die haben Laufbänder«, sagte sie. »Triathleten trainieren da auch, beim Spinning und im Schwimmbad: der stramme Martin, der kleine Sebastian und der dünne Michael.« Mona guckte schwärmerisch. Draußen regnete es. Ich war, wie immer, ein paar zügige 10-Kilometer-Einheiten im Rückstand. Also gut. Versuchen wir halt
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