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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Seefahrt einlassen, auf einem Dreimaster. Der Kahn ist gut 30 Meter lang. Aber 167-mal ums Deck dackeln, um auf einen Kilometer zu kommen, das geht auch nicht. Die Sohlen würden völlig einseitig abgerieben. Die ganze Körperstatik käme durcheinander, Fehlstellungen in Knie und Hüfte, Verletzungsherde ohne Ende. Nein, Schatz, wirklich nicht.
    Wo können Ausdauersportler ohne Angst vor Diskriminierung unter einigermaßen erträglichen Wetter- und Gesellschaftsbedingungen ihrer Mission nachgehen? Um ehrlich zu sein, am besten zu Hause. Da kennt man die Köter wenigstens. Und die
Radstrecken. Neulich bin ich mit dem Zug von Berlin nach Magdeburg gefahren, Regional-Express der Linie 1, über Potsdam, Genthin und Güsen. Traumhafte Gegend. So gut wie menschenleer. Prächtig asphaltierte Straßen. Kein Verkehr. Topfeben. Wogende Felder. Das perfekte Trainingslager. Das Bahnhofshotel in Wusterwitz sah aus, als würde es bewirtschaftet. Einen Parkplatz hatte es auch. Und Satellitenschüssel. Und wenn die örtlichen Glatzen die Verfolgung aufnehmen, bekommt man noch gratis Tempotraining dazu.
    »Wir sollten mal Urlaub in Deutschland machen«, sagte ich eines Abends zu Mona. Karl starrte mich entgeistert an. Mona lüpfte die Augenbraue. »Es gibt so viele schöne Ecken hier, die man gar nicht kennt«, sagte ich eilig, »auch wegen Karl, Heimatkunde ist doch ein wichtiges Fach.« Lauernd fragte Mona: »Und welche Gegend schwebt dir so vor?«
    Taktisch klug arbeitete ich mit dem Ausschlussverfahren: »Also, der Schwarzwald ist überlaufen. In Bayern regiert der Irrsinn. Die Ostsee ist langweilig und Sylt zu teuer. Bleibt eigentlich nur Brandenburg. In Wusterwitz kenne ich ein tolles Hotel.« Karl verließ wortlos die Küche. Wahrscheinlich telefonierte er seine Freunde ab, um zu erkunden, bei wem er sich sechs Wochen lang würde anhängen können.
    »Aber denk doch mal an die lokale Wirtschaft«, sagte ich kleinlaut und spielte meinen letzten, wenn auch erlogenen Trumpf: »Da gibt es auch Wellness, mit Klangschalen-Reiki und so was.« Doch ich wusste, dass ich verloren hatte. »Meine Wellness ist Italien«, sagte Duca Mona schroff: »Basta!« Schon gut. Aber ich trinke nur San Pellegrino mit Sergio.

Ferien und Sport
    Wer ein wenig ambitionierter läuft, will den Urlaub natürlich nutzen, um seine Form zu verbessern. Wann kann man sonst schon zweimal am Tag trainieren? Nur: Wohin mit der Familie? Am Ende bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder: Der Athlet steht morgens auf, während der Rest der Bande noch schlummert, und absolviert in der Kühle des Morgens sein Programm. Oder: Er nimmt sich eine Woche Auszeit und belegt mit seinem besten Laufkumpel ein Trainingslager mit professioneller Betreuung. Effektiv, aber teurer.
Variante zwei hat klare Vorteile, denn urlaubende Familie und trainierende Väter (oder Mütter) passen nicht zusammen. Es sei denn, man verfügt über das Gottesgeschenk einer gleichgesinnten Familie und teilt sich die Kinderbetreuung.

Ab wann ist man Walker, Jogger, Läufer? Achilles hat ein einfaches Rechenmodell entwickelt.

    Mit ihrem Dritte-Welt-Laden-Gesicht sagt Mona, ich sei ein Lauf-Fascho. Würde keine Toleranz gegenüber den Schwächeren und Langsameren in unserer Gesellschaft aufbringen, den Randgruppen des Breitensports. Über alle würde ich herziehen, giftig und menschenverachtend und zynisch und gemein. Immer zähle nur Leistung für mich, sagt Mona, Ergebnislisten würde ich auswendig lernen und ausschließlich an den gelaufenen Zeiten den Wert eines Individuums messen. Die ganze Menschlichkeit bleibe auf der Strecke und vor allem die Freude. Ich sei emotional verkarstet, zu tiefen Gefühlen nicht imstande, Sklave meines Brustgurtes, Gehetzter der Pulsuhr.
    Ich verdrückte eine Träne, nahm meine Frau in den Arm und flüsterte ihr ins Ohr: »Du hast völlig Recht, Schatz. Wir werden sofort ein Initiativkommitee zur Wahrung der Rechte von Lahmärschen gründen: Kontinentalplatten, Wale, Walker.« Meine Frau nickte. »Aber Tatsache bleibt, dass Wellness-Trott auf ein Charakterdefizit schließen lässt«, fügte ich grinsend hinzu. Mona schnaubte und stieß mich weg. Sie wollte ein Problemgespräch führen, was leider daran scheiterte, dass ich gar kein Problem hatte. Ich fühlte mich wohl als ausdauersportlicher Gefühlsgletscher.
An was kann man den Wert eines gesunden mittelalten Menschen besser ablesen als an seiner Laufzeit?
    Fairerweise muss man allerdings den Quotienten bilden, also

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