Achilles Verse
die Speicher weiten. Dann vier Tage den napolitanischen Rekord im Dauernudelschlingen einstellen. Und am letzten Abend eine Pizza mit Schinken, Pilzen, Paprika, weil da Wunderstoffe drin sind, Chrom und solche Sachen. Kann man notfalls auch unterwegs von einer Stoßstange schlabbern.
Rennverpflegung
Ich trau den Carbo-Weisheiten ja nicht. Deswegen werde ich auf den ersten zehn Kilometern eine Trinkflasche mit honiggesüßtem Apfelsaft mitführen, um die Speicher voll zu halten. Dann alle fünf Kilometer einen Beutel Powergel (Apfel-Guarana). Die Beutel tragen aber unvorteilhaft auf und pieken in mein zartes Hüftfleisch.
Untenrum
Der Apotheker meines Vertrauens hat mir eine Wunderwaffe zur Darmerleichterung verraten: »Mikroklist« heißt die Plastiktube mit dem extra langen Rüssel. In der Nähe von Sanitärkeramik aufhalten, Luft anhalten, bücken und an die FDP denken. Die gute Nachricht: Das Zeug pfeift wie ein ICE durch den Tunnel. Die schlechte: Manchmal kommt es zu Verspätungen.
Nippelgate
Warum tragen manche Läufer zwei rote Punkte auf der Hemdenbrust? Japanische Zwillinge? Demonstrieren die für irgendwas Gutes, wie fast alle dieser hechelnden Weltverbesserer? Nein, schlimmer: Solche Sportsfreunde sehen sich als Nachfahren von Jesus – Marathon ist ihr Kreuzweg, sie leiden gern vor Publikum. Sie haben sich die Brustwarzen blutig gescheuert und damit es jeder sieht, tragen sie helle Hemden. Einziger Vorteil: Es lenkt vom Schmerz in den Beinen ab. Pflaster halten nur, wenn keine Haare sprießen. Leider trage ich das einzig nennenswerte Fell ausgerechnet
auf diesen Quadratzentimetern, was für Mona einer der Hauptgründe war, sich auf mich einzulassen. »Behaarte Männer im Schwimmbad, das sieht aus, als treibe da eine Fußmatte«, sagt sie. Rasieren ist lebensgefährlich. Vaseline? Ich werde die Literatur noch mal konsultieren.
Schuhe
Achtung, Glaubenskrieg! Weiche Sohlen schonen die Beine, aber man denkt, man tritt in Quark. Knallharte Bereifung sorgt für den Punch, aber manchmal auch für frühen Knockout. Ich werde mich erst im letzten Moment für die Reifenmischung entscheiden, je nach Temperatur und Regen/Sonne.
Marschtabelle
Ausnahmsweise Einigkeit bei den Gurus. Nicht zu schnell starten. Will ich unter vier Stunden bleiben, und jeder will unter vier Stunden bleiben, muss ich 239,9 (Minuten) durch 42,2 (Kilometer) teilen, was 5:41 min/km bedeutet.
Die Form
Nie war ich kaputter. Beine aus Blei. Die Lunge hat das Volumen eines japanischen Kondoms. Brustwarzenziepen. Will schlafen. Aber vorher betrinken. Dann merke ich auch nicht, wenn Mona mich schlägt. Morgen suche ich mir einen Schachklub. Achilles, du Schwachmat, nenn mir nur einen Grund pro Marathon. Es gibt keinen.
Mentale Folter
Die Wochen vor dem ersten Marathon sind grausam. Die Angst wächst. Die Zweifel erst recht. Natürlich hat man nicht genug trainiert, unklug gegessen, zu viele Kilos auf den Rippen, die falschen Schuhe. Alles ist furchtbar. Der Novize überlegt, wie er sich am elegantesten aus der Affäre zieht. Eine Verletzung? Abmelden? Nein, der Stolz ist stärker.
Am wichtigsten ist eine goldene Regel: Nichts beim Marathon ausprobieren, was man nicht ausgiebig vorher getestet hat. Klassischer Fehler: In nagelneuen Schuhen zum Marathon, wegen der perfekten Dämpfung. Bei Kilometer 12 schwillt die Blase am Fuß, bei Kilometer 21 platzt sie und zehn Kilometer später der Läufer.
Ein weiterer Fehler: Zu lange zu hart trainieren. Wer bis wenige Tage vor dem Marathon noch viele schnelle Kilometer schrubbt, der darf sich nicht wundern, wenn die gefühlte Form eher mittelmäßig ist. Die Fachliteratur ist sich einig, dass die letzte Woche vor dem Start auf jeden Fall nur noch verhalten gelaufen werden sollte.
Achim Achilles ist tatsächlich beim Hamburg-Marathon gestartet. Und wie. Tausende Läufer rannte er in Grund und Boden. Und Zehntausende ihn. Das Protokoll eines zwiespältigen Vormittags.
Seit Sonntagabend habe ich die Wohnung nicht mehr verlassen. Der Einzige, der mich seither gesehen hat, war ausgerechnet Supi-Roland. Er kam die Treppe hinabgehüpft, als ich mich, auf Karl und Mona gestützt, aus dem Auto kippen ließ, wie ein Spätheimkehrer von der Ostfront. Die Gesichtsfarbe spielte ins Mehlig-Mozzarellahafte. Ich wollte Roland ein paar Souveränitäten entgegenschleudern, aber es kam nur trockenes Grunzen. »Achim war super«, sagte Mona vorsorglich. Zum ersten und einzigen Mal in seinem verpfuschten
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