Acht Augen sehen mehr als vier
gemeinsam, wem wir was erzählen.
Emily. Es stürzt gleich wieder über mich herein, das megastarke Gefühl. Keine Ahnung, was mit mir los ist. Emily hat geschrieben, dass sie mich vermisst. Ich lache. Ich lache wie blöd. Sogar Princess starrt mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. Bin ich auch nicht. Und das soll ich noch zwei Tage lang aushalten?
„Was ist mit dir, Milan?“ Meine Mutter schaut besorgt. Sie schaut schon eine ganze Weile so. Es ist Samstag. Sie hat Mittagspause und muss gleich noch mal für ein paar Stunden an die Kasse.
„Nix, was soll denn sein?“ Heute Früh hab ich Princess abgeholt wie immer. Aber es war nicht wie immer.
Meine Ma zündet sich eine Zigarette an und nimmt noch einen Schluck Kaffee. „Ach, komm, irgendwas brütest du aus. Ich kenn dich doch.“
Okay, sie kennt mich. Seit sie diesen Job im Supermarkt hat, hab ich noch nie freiwillig den Tisch gedeckt. Und überhaupt mach ich das nur ganz selten. Aber heute war mir eben danach.
Sie hat sich zuerst gewundert und dann gefreut.
Aber jetzt bohrt sie ihre Blicke in mich hinein, als könnte sie meine Gedanken ausforschen. Mist. Ich hätte den Tisch nicht decken sollen. Ich hätte überhaupt nicht hier in der Wohnung herumhocken sollen. Wahrscheinlich hab ich mit meinen finsteren Gedanken alles vollgerußt, so, wie sie jetzt alles vollqualmt.
„Ist es, weil wir nicht an die Adria fahren können?“
„Ach, nö. Das ist egal.“
„Du vermisst deine Freunde? Liegt’s daran?“
„Nein oder doch, klar, aber Finn kommt schon heute zurück, weil das Wetter schlecht geworden ist, und – äh, Lauras Freundin Emily kommt morgen.“
„Und du freust dich nicht?“
„Doch, ich freu mich total. Ich hab nix. Bestimmt.“
Sie bläst den Rauch an mir vorbei zur Balkontür raus. Es regnet. Es hat die ganze Nacht geregnet und Finn hat geschrieben, dass es in Bayern seit gestern nur noch schifft und alle schlechte Laune haben, weil es im Campingbus total eng ist. Darum kommen sie schon heute zurück.
Weil es regnet, hab ich den Esstisch im Wohnzimmer gedeckt und nicht auf dem Balkon. Heute mag ich meine Eltern ganz schrecklich gern. Ich hab so ein Gefühl, das unter den Rippen drückt. Am liebsten wär ich ganz klein, so zwei oder drei Jahre alt und würde mich an meine Ma kuscheln und losheulen. Aber das geht nicht!
Ich kann ihr nicht sagen, dass der Dingenskirchen mich angeschnauzt hat.
Vorhin, heute Früh, als ich Princess abholen wollte. Da hat er gefragt, ob ich aus dem Gartenhaus … ganz ernst hat er gefragt! Ich hör seine Stimme seither in Endlosschleife immer denselben Satz sagen.
„Milan Mertesheimer, hast du die Tür vom Gartenhaus aufgebrochen und diverse Dinge entwendet?“
„Ich?“ Ich hab ihn bloß angestarrt. „Was hab ich?“
Bestimmt bin ich kreidebleich geworden. Ich hab es ja geahnt, ich hätte ihm sofort sagen sollen, dass jemand eingebrochen hat. Gleich gestern, als Princess das Gartenbeet durchwühlt hat und ich sie suchen musste.
„Warum sollte ich das tun? Die Tür aufbrechen?“, hab ich gestottert. „Ich, ich weiß doch, wo der Schlüssel ist!“
„Aha, du gibst also zu, dass du im Gartenhaus warst, seit die Familie Wiesenhügel verreist ist?“
Mir ist die Spucke weggeblieben. Ich hab den Kopf geschüttelt. „Allein nicht!“
„Also doch!“
„Nö, überhaupt nicht! Allein war ich nicht mal im Garten hinten. Ich war zuletzt mit Emily Karim zusammen drin. Laura hat es uns erlaubt. Das war am Dienstag. Am Mittwoch und am Donnerstag war ich überhaupt nicht im Garten, das wissen Sie doch.“
„Und das soll ich dir glauben? Gestern warst du jedenfalls hinten im Garten und du bist reichlich lange geblieben!“
„Ja, weil Sie mich geschickt haben! Ich musste doch Princess suchen.“
„Jetzt werd nicht frech, Junge! Das wird noch ein Nachspiel haben, wenn Herr von Wiesenhügel zurück ist. Der Hund hat genug Schaden angerichtet, weil du nicht pünktlich zur verabredeten Zeit kamst. Die Gärtner hatten alle Mühe, die neue Rabatte wieder in Ordnung zu bringen. So, und jetzt nimm den Hund und verschwinde. Ich will dich nur noch hier vorn am Tor sehen und sonst nirgends!“
Seither wurmt es mich. Wie kann dieser Mann behaupten, ich hätte Lauras Sachen geklaut? Das würde ich nie tun! Nie! Und überhaupt, wie bitte hätte ich das Zeug durch den Garten schaffen sollen? Die großen Lautsprecherboxen! Den Flachbildschirm, den Laptop! Das hätte er doch gesehen! In Gedanken sag ich es
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