Achtmal kam der Tod Kommissar Morry
wandte er sich ruckartig um und hastete in den Korridor hinaus. Wieselflink huschte er die Treppe hinunter. Er nahm immer drei Stufen auf einmal. Schon wenige Sekunden später erreichte er den unteren Hausflur. Wäre er ohne Aufenthalt weitergelaufen, so hätte er sich vielleicht noch retten können. Aber er blieb zaudernd stehen, als er oben eine leise Stimme hörte. Er hob den Kopf und sah zwischen den Treppenwindungen nach oben. In diesem Augenblick zersprang unmittelbar neben ihm ein gläsernes Etwas mit spitzem Klirren. Noch in der gleichen Sekunde stiegen milchige Schleier vom Boden auf.
Duke Calahan stierte fassungslos darauf hin. Ein entsetztes Ächzen kam aus seiner Brust. Die kreisenden Schwaden erschienen ihm wie die Arme des Todes. In panischer Furcht stürmte er auf die Haustür zu. Er hatte sie bei seinem Eindringen offen stehen lassen. Aber nun war sie versperrt. Anscheinend war hinter ihm noch jemand nach Hause gekommen und hatte abgeschlossen. Mit zitternden Händen kramte Duke Calahan seinen Sperrhaken aus der Tasche. Er wußte, daß nun jede Sekunde entscheidend war. Er hatte nur noch eine winzige Frist. Bei klarem Verstand hätte Duke Calahan zum öffnen der Tür noch keine drei Sekunden gebraucht. Aber nun flogen seine Hände wie im Fieber. Er brachte kaum den Sperrhaken ins Schloß. Seine Kräfte erlahmten mehr und mehr. Schwankend hielt er sich an der Türklinke fest. Sein Atem ging rasselnd und stoßweise. Die Lunge begann wie Feuer zu brennen. Der Tod lauerte schon in nächster Nähe.
Duke Calahan bekam die Tür nicht mehr auf. Das furchtbare Giftgas tat seine Wirkung. Er hatte das Gefühl, als würde sein Inneres aufgefressen von wahnsinnigen Schmerzen. Er drehte sich schwankend um seine eigene Achse und fiel auf die kalten Steinfliesen nieder. Ein paar Sekunden später war er schon tot. —
Hätte in dieser Stunde das Schicksal ein entscheidendes Wort gesprochen, so hätte sich der Mörder in seinem eigenen Netz gefangen. Denn Duke Calahan lag ja fast unmittelbar vor seiner Wohnung. Sein Tod war der handfesteste Beweis gegen einen Mörder, den es überhaupt geben konnte. Es hätte nur ein Hausbewohner den Flur betreten müssen. Es hätte genügt, wenn Duke Calahan noch einen Hilfeschrei ausgestoßen hätte. Aber er starb so lautlos, wie Verbrecher es zu tun pflegen. Und die Hausbewohner lagen in tiefstem Schlaf. Niemand hatte etwas gehört. So geschah es, daß Duke Calahan fünf Minuten später auf einen Leiterwagen verfrachtet wurde und noch im Tod eine längere Reise machen mußte. Man fuhr ihn durch dunkle Seitengassen und lud ihn in irgendeinem finsteren Winkel des nächsten Stadtviertels ab. Damit glaubte der Mörder, alle Spuren verwischt zu haben.
17
Als Violet Alvey am nächsten Abend die Zeitung las, machte sie eine furchtbare Entdeckung. Sie wechselte so jäh die Farbe, daß Leslie Carron bestürzt zu ihr hinblickte.
„Was haben Sie denn?“, fragte er hastig. „Ist Ihnen nicht gut?“
„Hier“, stöhnte Violet Alvey entgeistert. „Lesen Sie das! Man hat Duke Calahan ermordet in Notting Hill aufgefunden. Die Polizei konnte feststellen, daß er durch die ausströmenden Gase einer Glaskapsel getötet wurde. Weitere Nachforschungen sind noch im Gang.“
Diesmal verlor auch Leslie Carron seine ruhige Sicherheit. Er überflog erschreckt die kurze Meldung. Sein Gesicht wurde ernst und düster.
„Ich habe Sie ja gewarnt“, sagte Violet Alvey leise. „Aber Sie wollten nicht auf mich hören. Nun haben wir die Bescherung. Was wollen Sie jetzt tun?“
Leslie Carron hob ratlos die Schultern. Er begann ruhelos im Laboratorium auf und abzugehen. Unstet kreisten die Gedanken hinter seiner Stirn.
„Es gibt jetzt nur noch eine einzige von diesen Kapseln“, sagte er gedankenversunken. „Eine allereinzige. Sie ist anscheinend für mich bestimmt.“
„Für Sie?“, fragte Violet Alvey entsetzt. „Warum denn ausgerechnet für Sie?“
Leslie Carron gab keine Antwort. Er war schon wieder woanders mit seinen Gedanken. Er dachte an Duke Calahan, den er in den Tod geschickt hatte. „Armer Kerl“, murmelte er zwischen den Zähnen. „Hätte ich ihn doch lieber hierbehalten. In diesem Haus wäre er sicher gewesen. Aber in Bayswater . . .“
„Sie denken immer nur an andere“, sagte Violet Alvey kopfschüttelnd. „Denken Sie doch auch einmal an sich selbst. Sie schweben in größter Gefahr.“ Als er auch diesmal still blieb, fuhr sie drängend fort: „Sie müssen
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