Achtung BABY!
Metal bis Biene Maja. Meine gesanglichen Fähigkeiten sind nicht schlecht, aber es hat Gründe, warum meine Karriere als Liedermacher Anfang der Neunziger jäh endete, noch bevor sie begann. Vielleicht wird meine Tochter mich später mal hassen für die missglückten Liedversuche. Oder es legt sich später der sanfte Schleier der zarten Nostalgiegefühle drüber. Ich erinnerte mich mit einem wohligen Gruseln an die Gesänge meiner Oma, die mich mit einem einzigen Lied in den Schlaf singen wollte. Sie sang beherzt, aber disharmonisch »Guten Abend, gute Nacht«, als ob es kein Morgen gäbe. Ich bin mir sicher, dass der Komponist diese Version nicht im Sinn hatte, als er diesen Gassenhauer schrieb. »Guuten Aaabend, guute Naaacht« – Gläser zerbarsten, Fensterscheiben splitterten – inbrünstig schmetterte meine Oma die Töne des ehemaligen Schlaflieds – die Repeat-Taste auf Dauerbetrieb gedrückt. So kam ich als kleines Kind zum ersten Mal mit Zwölftonmusik in Berührung. Und das waren nur die Schläferstündchen. Ich musste mit meiner Oma oft in die Kirche gehen. Der Herr wollte es so. Da saß ich als kleiner Bub dann mitten im Altfrauenchor, der mit gläubigen Gesängen Gott zu huldigen versuchte. Für mich war das mehr: »Die Kampfsinger von St. Dorfen rufen den Herrn herbei.« Was muss sich eigentlich Gott denken, wenn er solche Gesänge hört? Ist er da entspannt und sagt, »solange sie beten, wurscht«, oder hat der sich auch Silikon-Oropax gießen lassen? Gott hat wenigstens die Wahl. Aber so kleine Kinder in ihren Bettchen sind hilflos den Gesängen engagierter Omas und Opas ausgesetzt, ohne auch nur den geringsten Schutz. Amnesty International, dig this!Die andere Frage ist, wie soll man bei so harter Zwölftonmusik eigentlich einschlafen? Ich glaube manchmal, dass viele Kinder gar nicht einschlafen, sondern nur so tun, damit der Gesang aufhört. Damals habe ich mir auch noch gedacht, dass ich das mal anders machen werde. Ich würde meiner kleinen Tochter coole Lieder vorsingen und vorher Gesangsunterricht nehmen, damit es kein Familiengefälle gibt. Meine Frau ist Sängerin, da ist das Vorsingen oft schon fast ein kleines persönliches Kammerkonzert. Aber jetzt bin ich dran, es ist der 12. 1. 2009, 4.30 Uhr morgens, und ich habe erst eine Stunde geschlafen. Und ich versuchte gerade meine kleine Tochter in den Schlaf zu singen. Ich dachte erst, es sei wie bei Odysseus, von irgendwoher hörte man leicht die Sirenen singen, sie bezirzen Lillys Ohr, aber dann kam aus meinem Mund: »Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt …« – danke, Oma – »… schlupf unter die Deck. Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt …«
»Mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt« – hat eigentlich schon mal jemand auf den Text dieses Liedes gehört?
So habe ich es als Kind verstanden, und auch heute noch bin ich mir sicher, dass das der richtige Text ist. Mit Rosen bedacht und mit Näglein besteckt, das ist schon eine stachlige Angelegenheit. Hört sich eher an wie der Titelsong eines Folterfilms. Da werden arme unschuldige amerikanische Studenten in die Fänge einer wahnsinnigen Oma gelockt, und beim Zudecken läuft unten das Blut raus. Ich habe meine Frau gefragt: »Gudrun, heißt das wirklich ›mit Näglein besteckt‹?«
»Öh, ich habe das auch immer so verstanden.«
Meine Mutter sagte, das heiße wohl eher »mit Nelklein besteckt«. Gut, im Zweifelsfall sind Nelken angenehmer im Bett als Nägel, aber sie konnte mir auch nicht erklären, wie man mit Nelken eigentlich ein Bett besteckt.
[Menü]
Lieder für oder gegen Kinder?
Alle Großeltern und Eltern singen Schlaf- und Kinderlieder – und fast immer, ohne sich dabei über den Inhalt Gedanken zu machen. Ich habe nachgeforscht, was sich in den Liedtexten versteckt. Ich möchte hier die Top Seven der härtesten, schrägsten und abgründigsten Kinderlieder kurz präsentieren:
1. Fuchs du hast die Gans gestohlen
»Fuchs du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her,
sonst wird dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr.
Seine große lange Flinte schießt auf dich das Schrot;
Dass dich färbt die rote Tinte, und dann bist du tot.«
Da wünsch ich doch gute Träume. Das ist schon ein bisschen Splatter! Ich weiß nicht, ob das sehr schlaffördernd ist. Und dann kommt die selten gesungene dritte Strophe, die das Ganze harmonisch auflöst …
»Liebes Füchslein, lass dir raten, sei doch nur kein Dieb;
nimm, statt mit
Weitere Kostenlose Bücher