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Achtung BABY!

Titel: Achtung BABY! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Mittermeier
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der Schulter rumläuft. Ich habe häufiger erst nach Stunden bemerkt: »Oh, die Kleine hat mir zum Abschied noch ein kleines Geschenk auf die Schulter gespuckt.« Es ist ein bisschen peinlich, wenn man in einem Bekleidungsgeschäft steht und die Verkäuferin einen komisch anguckt, beziehungsweise angewidert die Klamotten betrachtet. Deswegen muss in diesem Buch auch über die Verwahrlosung gesprochen werden, die in den ersten Wochen nach der Geburt zu Hause Einzug hält. Sie schreitet unaufhörlich voran. Und es fällt einem nicht mehr auf. In klugen Ratgebern stehen oft so tolle realistische Tipps wie: »Sie müssen sich als Eltern täglich auch mal eine kleine Auszeit gönnen. Duschen Sie sich, stylen Sie sich und pflegen Sie sich, das tut Ihnen gut. Machen Sie sich was Nettes zu essen, blättern Sie ein wenig in Ihrer Lieblingszeitung …«
    STOPP – hier greift die Surrealitätspolizei ein. Ob das alles guttut, tut nichts zur Sache. Ich weiß nicht, ob die wirklich schon mal was mit Babys zu tun hatten, aber das sind doch nur schöne Gedanken – wie der Weltfrieden. Man würde sich darüber freuen, aber zwischen Realität und Verwirklichung liegen doch noch ein paar Stolpersteine. Vor allem Mütter haben im Wochenbett nicht die Ruhe und Zeit, sich um das Aussehen zu kümmern. Für die meisten Männer ändert sich nicht ganz so viel. Die Stylingbedürfnisse runterzuschrauben fällt manchem nicht so schwer. Drei Männer könnten im Extremfall auch schon mal ein verlängertes Wochenende in einer Wohnung zusammen verbringen, ohne dass Dusche oder Wasser eine zentrale Rolle dabei spielen würden. Die Fliegen fallen schon von den Wänden, der nach außen dringende Geruch hat einen ganzen Straßenzug lahmgelegt, aber unsere drei Freunde sind glücklich und merken nichts. Männer sind deshalb besser gewappnet für die Zeit nach der Geburt. Die Verwahrlosung in der Babyelternwohnung schreitet weiter so vor sich hin. Duschen zum Vergnügen gibt es nicht mehr. Dafür ist keine Zeit. Duschen und Waschen reduzieren sich wieder auf die Basics: einehalbwegs hygienisch und geruchstechnisch saubere Grundlage schaffen zur zwischenmenschlichen Interaktion. Nicht wegen des Babys. Das würde sich auch an die Eltern kuscheln, wenn sich Hunde schon abwenden. Es geht um die eigene Darstellung außer Haus. Wenn man beim Metzger Hausverbot bekommt, weil man mit den um einen herumschwirrenden Tieren und seiner Stinker-Umlaufbahn das Fleisch in der Kühltheke negativ beeinflusst, ist der Moment gekommen, in dem man erkennen muss, es riecht für einen selbst anders als für die anderen. »Herr Mittermeier, wir wollen keinen Ärger mit der Lebensmittelkontrolle.«
    Man riecht es daheim ja nicht mehr, der Geruch von vollen Windeln hat sich schon in die Tapeten eingebrannt. Man wundert sich nur ab und zu, wenn man rausgeht, dass man plötzlich beim Schnaufen so viel Luft bekommt. Da wir in den ersten Wochen zu zweit zu Hause waren, haben wir uns natürlich auch gegenseitig nicht gerochen. Doch, wie gesagt, was tut man nicht alles für die Außenwelt. Eine gute Freundin war zwei Wochen nach der Geburt zum zweiten Mal bei uns. Sie schaute mich an und fragte mich: »Du siehst wieder besser aus. Geschlafen?«
    »Nein, geduscht.«
    Ich muss ja zugeben, Verwahrlosung hat ja auch eine schöne Seite. Das Sich-total-gehen-Lassen kann auch etwas Meditatives haben. Manchmal dachte ich mir, jetzt hätte ich auch gerne Windeln. Das würde so manches vereinfachen. Zum Beispiel wenn man sich gerade eine Staffel »24« auf DVD anguckt. Auch nach sechs Folgen nicht mehr aufstehen müssen. Herrlich. Einfach hocken, glotzen, essen – SCHNITT – wann kann ich als Papa heute schon mal sechs Folgen einer Serie hintereinander anschauen? Diese Zeiten waren nach der Geburt erst mal vorbei. In den ersten Wochen war man schon froh, wenn man mal ab und zu einen halben »Tatort« sehen konnte. In den ersten Wochen nach der Geburt habe ich wieder mehr gelesen. Man liest halt in vielen Etappen. Aber einen Film auf zwanzigmal zu schauen, das würde keinen Spaß machen. Und man hat ja auch viele Nächte für ein gutes Buch. Mir ist erst später aufgefallen, dass bei dem, was ichin der Zeit alles gelesen habe, nicht viel Lebensbejahendes dabei war. Aber die Millenniumstrilogie von Stieg Larsson schien mir schon titelmäßig sehr passend für meinen Zustand. Die drei Bände gliedern sich in:
    »Verblendung«
    »Verdammnis«
    »Vergebung«
    Das ist eigentlich eine gute

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