Achtung: Die "Monsters" kommen!
giftgefüllten Fässer — wie
andere ihren Hund streicheln oder Eltern ihre Kinder.
Dunkel war’s. Kühler Wind bewegte
Büsche und Bäume. Ein Singvogel, der mit der 29. Strophe seines Abendlieds noch
nicht fertig war, trillerte irgendwo in den Zweigen.
Männi kniete sich auf den Rasen, hob
eine Bohle an und griff hinunter, wo das Notizbuch in einer großen Kollegmappe
auf einem der Fässer lag.
In seinem Knabenzimmer trug der
44jährige Männi das heutige Ereignis ein. Schönschrift. Er überschrieb den
Bericht mit: Party-Breaking Ottilien-Schule.
Als er fertig war, blätterte er in den
beschriebenen Seiten. Ein großartiges Werk. Literarisch zwar nicht mit Goethe
vergleichbar. Aber inhaltlich von enormem Gewicht. Boss aller Monster — das
bewies doch, daß er Führungsqualitäten hatte. Brunnenvergifter — das bewies,
daß er als Einzeltäter, als einsamer Wolf, eingehen würde in die
Kriminalgeschichte dieses Jahrhunderts.
Begonnen hatte alles...
Er las auf der ersten Seite, lächelte
speckig und machte schmale Augenschlitze.
Im Grund verdankte er seine
Unterwelt-Karriere zwei Zufällen. Am Tag einer Altpapier-Sammlung — damals —
ging er luftschnappend beim Amtsgericht II in der Säckler-Straße vorbei und sah
vor dem hinteren Eingang allerhand gestapeltes Papier. Nicht nur Zeitungen —
auch Akten. Ein kleiner Berg verstaubter, zerfledderter Akten.
Männi war stehengeblieben und hatte
sich mit einem Stapel gebündelter Akten befaßt. Schon beim dritten Blick wurde
ihm klar, daß hier ein himmelschreiendes Versehen vorlag. Es waren echte Gerichtsakten
— Akten von straffällig gewordenen Jugendlichen. Akten aus jüngster Zeit.
Vermutlich hatte ein bescheuerter Gerichtsdiener zu tief ins Bierglas geguckt
und statt der AMTSGERICHTS-ZEITUNG, den Nummern 1-270 vom letzten Jahr, statt
der also, die er beseitigen sollte, hatte er echte Akten hierher gelegt.
Männi schob sich das Paket unter den
Mantel, eilte heim und schmökerte bis tief in die Nacht.
Das war Material! Jetzt hatte er was in
der Hand! Er kannte Namen, Adressen, Straftaten, Strafzumessungen,
Vorgeschichte. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild einer Bande, die er
ins Leben rufen würde. Ein Dutzend dieser Übelmänner — bei denen offenbar
Hopfen und Malz verloren war — wählte er aus. Dann begann seine Telefon-Aktion;
und innerhalb einer Woche formte sich die Monster-Bande zur schlagkräftigen
Organisation.
Sicherlich — auf zwei Typen mußte er
verzichten. Sie befanden sich auf Weltreise — wie er erfuhr — und würden erst
in drei Jahren zurücksein, falls sie nicht gleich in Australien oder Thailand
blieben. Statt dessen erhielt er von dem achtfachen Autoknacker Bömmelein zwei
andere Adressen. Ausländer, die gern mitmachen würden: Ali Fashonmi und Hasan
Doldraisti. Perser!
Das war die Vorgeschichte zu den
Monsters.
Was die Brunnenvergifterei mit dem TCDD
betraf, war der Zufall nicht ganz so zufällig, sondern familiär vorherbestimmt.
Wiederum waren es Unterlagen, die Männi
in die Hände fielen — Unterlagen seines Vaters Leopold Rasmus, der mit dem
schrecklichen Gift, das in seiner Fabrik hergestellt wurde, recht unbekümmert
umging.
Damals — kurz vor Leos Ableben —
begriffen selbst die blödsten Politiker in unserem Lande, welche katastrophalen
Folgen es hat für jedermann, wenn diese Gifte freigesetzt werden. Nach langem
Für und Wider wurden Verbote erlassen. Leos Gift-Produktion stand an ihrem
Ende, und der genervte Fabrikant erwog bereits, auf Zahnpasta umzusteigen.
Außerdem wußte er nicht, wohin mit dem TCDD-Rest, der noch bei ihm rumstand.
Neun Fässer waren das. Neun! Reines
TCDD, das zur Herstellung der anderen Gifte gebraucht worden war.
In seinen letzten Tagen — Leopold
Rasmus muß schon recht matt gewesen sein — entschloß er sich, die neun Fässer
unter der Hand zu beseitigen. Einer seiner Werksfahrer besorgte das, ein
gewisser Guntram Finkenaas. Dem steckte Leo ein paar Hunderter zu. Finkenaas
lud die Fässer auf seinen Lieblings-Lkw und stahl sich gegen Mitternacht durchs
Werkstor hinaus — mit Abblendlicht und leisem Motor.
Wie Finkenaas dem Chef anderntags
mitteilte, habe er die Fässer in einem Stück Brachland hinter dem Sportstadion
der TURNERSCHAFT STARKWADE von 1912 verbuddelt.
Leo, der ein pinseliger Ordnungsmensch
war, machte sich eine Notiz. Und Männi fand sie. Später, nach dem Hinscheiden
des Vaters. Notiz mit ungefährem Lageplan der TCDD-Fässer.
Hah! dachte Männi.
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