Achtung, Gutmenschen!: Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.
braune Schnellkrabbler lebt in den Höhlen slowenischer Karstgebiete. Sein Entdecker, ein Zoologe namens Oscar Scheibel, ließ den Namen Mitte der dreißiger Jahre eintragen. Für die Kindeskinder des Käfers ein Karrieresprung: Auf Insektenbörsen werden Preise jenseits von tausend Euro für ein lebendes Hitler-Exemplar bezahlt. Auch tote Vertreter sind begehrt. Die Exemplare der Zoologischen Staatssammlung München wurden gestohlen, nachdem die Zeitschrift National Geographic auf den Namensträger hingewiesen hatte. «Anophtalmus hitleri» gilt mittlerweile als ähnlich bedroht wie der Kugelkäfer «Agathidium bushi». Schlechte Menschen sammeln ihn, gute Menschen töten ihn. Kann man ihn nicht auch einfach umtaufen? Wir gründen eine Initiative zur Umbenennung des gefährdeten Tieres und ernennen unseren Lieblings-Gutmenschen zum Vorsitzenden. Er soll sich um das weitere Vorgehen kümmern, mit dem er sich – wie wir versichern – unsterbliche Verdienste im Kampf gegen den Faschismus erwerben kann.
Das gemeine Geschenk
Mit den Büchern Der ganz normale Wahnsinn unterm Hakenkreuz oder Die Rückseite des Hakenkreuzes , beide von Helmut Heiber, können wir unseren Gutmenschen für lange Zeit beschäftigen. Wir überreichen ihm das Geschenk mit der Bitte, mal zu recherchieren, was aus all den nach Hitler benannten Wesen, Orten und Gegenständen geworden ist.
Ein kleiner Käfer unbekannter Herkunft, lebend oder tot. «Dies ist der berühmte Anophtalmus hitleri, der Hitler-Käfer. Ein Symbol der schlimmsten Epoche deutscher Geschichte. Ich weiß nicht, was du damit machen willst.»
Böse Sprüche für gute Menschen
«Es wird Zeit, dass dieses Land sich endlich aus den Selbstbespiegelungen seines zwiebelhautengen NS-Diskurses befreit, dass man den Blick von der eigenen Nabelregion ab- und der Welt zuwendet.» Michael Kumpfmüller, Schriftsteller
«Die Deutschen neigen zu Betroffenheitskitsch. Das deutsche Gedächtnis gleicht einer riesigen Zunge, die rastlos nach einem schmerzenden Zahn tastet.» Ian Buruma, Schriftsteller
«Die Nazizeit ist der stärkste Schnaps, den man sich zur eigenen inneren Aufrüstung oder zur Betäubung des Gegners ausschenken kann.» Jens Jessen, Kulturkritiker
4. Sie wollen immer Dialoge führen
Gute Menschen freuen sich stets auf einen Dialog. Am liebsten führen sie einen «Dialog auf Augenhöhe», weniger gern einen Dialog in Höhe der Kniekehlen oder des Bauchnabels. Wenn sie nachts wachliegen, in nimmermüder Sorge um die Entwicklung der Welt, malen sie sich aus, wie überzeugend sie reden würden, zum Beispiel mit einem Gewalttäter. Oder wie sie einem Fanatiker ihre menschenfreundlichen und völkerverbindenden Standpunkte ausführlich darlegen könnten.
Würde ihre friedliche Gesinnung nicht bereits ausreichen? Müssten ihre einleuchtenden Argumente nicht jeden zum Einschwenken auf die Bahn des Guten bewegen können? Eigentlich ja. Auch jene Verwirrten, die zur Gewalt Zuflucht nehmen wollen. «Lass uns erst mal drüber reden», würden die Gutmenschen zu einem irritierten jungen Menschen sagen, der gerade ein Messer gezückt hat oder noch hilflos am Zünder einer Bombe nestelt.
Denn gute Menschen hoffen: Jeder ist im Innersten unschuldig. Beinahe so unschuldig wie sie selbst. Wenn er gern mit Schlagringen hantiert, ist er vielleicht ein bisschen verdorben worden, aber er ist im Herzen gut. Man muss ihn nur daran erinnern. Wenn Gutmenschen bei einem Glas Wein darüber nachdenken, ist das auch ganz einfach. Und im Seminar für gewaltfreie Kommunikation klappt es auch noch. Nur live wird es schwierig. Die Hooligans, die nach einem Fußballspiel ihre Schlacht inszenieren, sind selbst mit dem Megafon nicht mehr zu erreichen. Mit Einfühlung und Therapeutensprache wird es noch schwieriger.
Gutmenschen bewahren ihre Unschuld, indem sie stets ihre Dialogbereitschaft betonen. Sehr wahrscheinlich kommt ihnen die Dialogbereitschaft bereits in der Partnerschaft oder in der Kindererziehung immer wieder abhanden. Aber mit fernen Gewalttätern – da müsste es doch möglich sein. Hallo? Ist da jemand, der im sogenannten offenen Dialog von störenden Handlungen abgehalten werden möchte? Vielleicht ein Islamist, der Deutsch versteht? Der Gutmensch könnte ihn mindestens dazu überreden, die Bombe woanders zu befestigen als ausgerechnet auf der eigenen U-Bahn-Strecke. Und der Kampfhund – könnte er nicht durch eine freundliche Ansprache, «man muss es nur wollen», also vielleicht durch
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