Achtung Klappe
nervös den Hut, den er wie ein Steuerrad hielt.
„Es geht um zweiundsiebzig Diamanten.“
„Warum ausgerechnet nach Wertlingen?“ Ich kannte dieses trostlose Nest, aus dem sogar die Füchse ausgewandert waren.
„Ich habe meinen Wohnsitz dort.“
Er starrte eine Weile an mir vorbei auf Onkel Balduin den Ersten. Als seine Augen wieder zu mir zurückkehrten, erkannte ich darin Angst und Sorgen.
„Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Der wirkliche Grund, warum die Steine umgelagert werden sollen, liegt in meiner Befürchtung, daß man es auf den Safe in meinem Büro abgesehen hat.“
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber dann, bei Kasimir, dem Plattfüßigen, wäre es doch für Sie wesentlich billiger und sicherer, gleich zur Polizei zu gehen.“
„Die würde Fragen stellen. Und ich müßte mit Vermutungen antworten. Müßte sagen, daß ich glaube, ständig beobachtet zu werden. Daß ich fürchte, daß man meinen Kunden und Geschäftsfreunden hinterherschnüffelt, daß ich sogar vermute, daß Fremde bereits einmal in mein Büro eingedrungen sind. Nur beweisen, lieber Herr Pfiff, beweisen kann ich von alledem leider nichts!“
„Sind die Diamanten nicht versichert?“
Herr Lannak nickte. „Selbstverständlich sind sie versichert. Aber nicht zum vollen Wert. Die Steine sind innerhalb des letzten halben Jahres im Wert um dreißig Prozent gestiegen.“
„Was bedeutet das in Zahlen?“
Herr Lannak zupfte sich an der Seidenkrawatte und räusperte sich, bevor er antwortete:
„Alle zweiundsiebzig Diamanten würden heute etwa 1,5 Millionen Mark bringen.“
„Nicht schlecht, Herr Specht!“ staunte ich.
„Ich habe mir gedacht, daß Sie mich um 15 Uhr in meinem Büro aufsuchen und wir von dort aus gemeinsam nach Wertlingen fahren.“
„Hmhm“, summte ich, während in meinem schlauen Kopf die Rädchen auf Hochtouren liefen. Was würde der vornehme Herr Lannak wohl sagen, wenn ich ihm gleich verriete, daß ich gar kein Auto besaß? Er würde die Augenbrauen hochschnellen lassen, mit dem Ohr wackeln und vor Erstaunen den Schluckauf bekommen. Doch nichts von alledem geschah. Er ließ lediglich den sorgfältig frisierten Kopf leicht zur Seite kippen und fragte ungläubig:
„Ich hätte nie geglaubt, daß ein Detektiv ohne Auto auskommen kann. Wie ist das möglich?“
Mit lächelnder Ernsthaftigkeit klärte ich ihn auf:
„Ein Detektiv vielleicht nicht. Ein Meisterdetektiv dagegen leicht. Sie glauben nicht, wie angenehm es ist, parkplatzunabhängig zu sein. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mit einem Taxi vorführe?“
Bei Nepomuk, dem Kinderpieker, er studierte mich mit einem Blick, als hätte ich gefragt, ob ich mal seinen Bauchnabel sehen dürfe.
„Taxi???“
Ich freute ihn in aller Herzlichkeit an.
„Ja, Taxi. Ich habe einen guten Bekannten mit Taxi!“
Diesmal versuchte mein Besucher Löcher in die Zimmerdecke zu gucken. Nach einigen Sekunden schwenkte er wieder herab und nickte: „Hm, ja, warum nicht?!“
Seine Rechte verließ den Hut, fuhr in das Innere des eleganten Sakkos und legte anschließend ein kleineres und ein größeres Papier auf den Tisch. Bei dem einen handelte es sich um eine Visitenkarte, bei dem anderen um einen Scheck. Einer der fünf freien Finger deutete auf letzteren:
„Betrachten Sie ihn als Anzahlung!“
Der vornehme Herr Lannak erhob sich. „Ich darf also damit rechnen, daß Sie mich morgen um 15 Uhr in meinem Büro abholen!“
Obwohl er das nicht fragte, sondern feststellte, nickte ich. Lässig und locker, versteht sich.
Nachdem ich seine weiche Hand gequetscht hatte, geleitete ich „M. Lannak“ zur Tür. Zurück blieb ein leiser Geruch nach Mottenkugeln, der natürlich nicht von Mottenkugeln stammte, sondern von irgendeinem Parfüm mit exotischem Namen. Ach ja, ein Scheck und eine Visitenkarte blieben auch zurück.
M. LANNAK + CO — EDELSTEIN KG
stand auf dem rechteckigen Kärtchen aus Bütten mit weichgezacktem Rand. Die Adresse wies auf ein teures Geschäftshochhaus in der König-Otto-Straße hin.
Pinsel quittierte den Abgang des Edelsteinhändlers mit geschlossenen Augen. Nur am leisen Stummelschwanz-Geblobber ließ sich ersehen, daß er unter den geschlossenen Lidern hellwach war.
„Nun reg dich endlich wieder ab!“ rief ich ihm zu, und er hob prüfend das rechte Lid.
„Ja, wir gehen jetzt wirklich an die frische Luft. Mal sehen, ob wir Onkel Blaumichel auftreiben können!“
Pinsel flitzte blitzschnell zur Tür und warf
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