Achtung Kurven
Schreibmaschine.«
»Bleiben Sie hinter der Maschine und nähren Sie sich redlich. Zu meinem Job gehören eiserne Nerven und — entschuldigen Sie, aber es ist so — eisernes Sitzfleisch.«
»Das braucht man auch im Büro.«
»Wahrscheinlich«, grinste er, »aber darüber sollten wir uns einmal unterhalten, wenn es für Sie billiger ist.«
Sie fuhr wieder an, aber ihr rutschte die Sohle vom Kupplungspedal, der Wagen machte einen Satz nach vorn, und wieder trat Herold auf die Bremse: »Merken Sie jetzt, daß Eitelkeit vor dem Fall kommt?« fragte er mit einem Blick auf ihre Schuhe.
»Von meinem Vater stehen noch ein Paar alte Schnürstiefel auf dem Speicher, in denen erscheine ich das nächstemal .«
Beim nächsten Versuch kam sie ohne Zwischenfall bis zur ersten Kreuzung, wo er sie rechts heranfahren und halten ließ. Sie sah ihn an, als erwarte sie, er werde über diesen gelungenen Versuch einen Jubelruf ausstoßen. Aber er jubelte keineswegs.
»Die Privatstunden sind Ihnen nicht gut bekommen«, sagte er statt dessen. »Sie müssen sich vor allem drei Untugenden abgewöhnen: Sie langen mit drei Fingern nach dem Knopf des Schalthebels, als ob Sie eine Weinbrandkirsche aus dem Karton fischen. Fassen Sie doch mit der ganzen Hand zu. Zweitens kleben Sie mit der Nase an der Windschutzscheibe. Lehnen Sie sich ins Polster zurück. Sie würden nämlich hinterher gar nicht gut aussehen, wenn Sie in die Verlegenheit kämen, scharf bremsen zu müssen...«
»Sind Sie fertig?« fragte sie ein wenig gereizt.
»Nein, ich sprach von drei Untugenden. Aber die dritte korrigiert sich wahrscheinlich von selbst, wenn Sie richtig sitzen. Sie halten beide Hände am höchsten Punkt des Steuerrades. Das sieht sicher recht flott aus, aber damit scheitern Sie an der ersten scharfen Kurve. Fassen Sie das Lenkrad an, als ob Sie den Lenker Ihres Rollers in der Hand hätten, verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe«, nickte sie ziemlich kleinlaut.
»Dann fahren Sie jetzt zur Fahrschule zurück, aber gehen Sie nicht über den zweiten Gang und zwanzig Stundenkilometer hinaus.« Er warf einen Blick auf seine Uhr: »Es wird höchste Zeit für mich, heimzukommen. Die arme Frau Zauner wird schon warten.«
»Weshalb arm?«
»Das erzähle ich Ihnen gelegentlich, wenn wir mehr Zeit haben. Eigentlich gehört die Geschichte in den theoretischen Unterricht unter das Kapitel > Alkohol am Steuer<... «
»Ach du liebe Güte«, sagte sie, »und da reden Sie von einer armen Frau? Ich finde es leichtsinnig...«
»Sie büßt für die Sünden ihres Mannes.«
»Hat er einen Unfall gebaut?«
»Ja, und leider einen ziemlich bösen. Aber nun fahren Sie, Fräulein Schütz, ich muß mich an den Stundenplan halten.«
Sie fuhr vorsichtig an, die Kupplung rupfte ein wenig, und sie vergaß auch zumeist, Richtungsänderungen durch die Blinker anzuzeigen, aber sonst machte sie ihre Sache dafür, daß sie ihre erste Fahrstunde absolvierte, recht gut.
»Wie kommen Sie heute nach Kirst zurück«, fragte er sie, als sie in eine breite Parklücke vor der Fahrschule Bauersfeld einfuhr und stoppte.
»Meine Mutter ist in der Stadt, um Einkäufe zu besorgen, und dann wollen wir noch ins Kino gehen.«
»So gut wie Sie möchte ich es haben«, sagte er mit einem kleinen Seufzer, »für mich geht der Tag heute erst um zehn zu Ende.«
»So ein tolles Vergnügen ist es nun auch wieder nicht, mit der eigenen Mutter ins Kino zu gehen«, meinte sie schulterzuckend , »und außerdem bevorzugt sie Schnulzen.«
»Und was bevorzugen Sie?«
»Krimis und Western. Finden Sie das schlimm?«
»Ich bin auch für harte Sachen. Ich brauche das ab und zu als seelischen Ausgleich...«
»Was müssen Sie denn abreagieren?«
»Alles, was ich tagsüber erwürgen möchte«, antwortete er todernst. »Sie ahnen nicht, wie dämlich sich manche Leute am Steuer anstellen. Und meistens die intelligentesten...«
»Dann darf ich ja fragen, wie Sie mit mir zufrieden waren«, sagte sie mit einem kleinen Lachen.
»Ich gebe keine Zensuren, aber wenn Sie es durchaus hören wollen: Sie sind talentiert.«
»Schließlich fahre ich seit vier Jahren Roller.«
»Und die Mama scheint Sie öfters ans Steuer gelassen zu haben, als Sie zugeben wollen. Waren vielleicht auch ein paar Schwarzfahrten dabei?«
»Nein, wirklich nicht! Das würde ich nie riskieren.«
Er blätterte in seinem Taschenbuch: »Auf Wiedersehen, Fräulein Schütz — am Donnerstag um fünfzehn Uhr. Und wann sehe ich Sie beim
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