Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
verschränkte die Arme und wippte nachdenklich mit dem Stuhl. Er sah entspannt aus, aber Matt erkannte an seinem zuckenden Wangenmuskel, dass das Gegenteil der Fall war.
„Plan A ist, zu Fuß nach Payette zu gehen, und die Brücke über den Highway 52 mit unseren gefälschten Ausweisen zu überqueren. Plan B ist es, uns ein paar Motorräder zu schnappen, die in einem Schuppen in der Nähe von Weiser bereit stehen. Wir „stehlen“ sie und fahren wie die Verrückten zum Snake River, dann den Hells Canyon hinauf und zum Hells Canyon Damm.“
„Das ist ziemlich weit im Norden.“
„Aber an der Route. Es gibt mehr Rückzugsorte und dort entlang zu gehen ist völlig unlogisch. Die Roten werden glauben, dass wir den Staat so schnell wie möglich verlassen wollen, aber stattdessen lassen wir uns ewig Zeit. Das stiftet Verwirrung.“ Matt winkte mit gespreizten Fingern.
„Du hast das alles geplant. Hast du das schon ein paar Mal gemacht?“
„Ich bin mit einem ähnlichen Plan schon fünfmal aus Idaho rausgekommen.“ Allerdings hatte er noch nie die Route durch den Hells Canyon nehmen müssen. Matt hielt den Atem an und hoffte, dass James nicht fragen würde.
„Und musstest du je die Route durch den Hells Canyon nehmen?“
Verdammt . „Nein, Plan B war noch nie nötig. Wir haben ein ziemlich engmaschiges Netz von Schutzhäusern.“ Matt seufzte und setzte hinzu: „Die wir allerdings nicht benutzen können, weil du Überwachungsstufe eins und deswegen einen Echtzeitchip hast.“
„Was macht ihr normalerweise?“
„Wir holen die Leute erst raus, wenn sie Überwachungsstufe zwei erreicht haben. Wir deaktivieren ihren Chip, positionieren für eine Weile irgendwo, wo es glaubwürdig ist, einen Dummy, zum Beispiel auf einem Zeltplatz. Dann machen wir uns so schnell wie möglich aus dem Staub und weichen den Suchtrupps aus. Manchmal holen wir Leute raus, die von den Roten noch nicht als schwul identifiziert wurden. Das ist dann ziemlich einfach.“
James warf ihm einen langen, undeutbaren Blick zu. Schließlich sagte er: „Es wird nicht so einfach werden, mich nach draußen zu bringen.“
„Du scheinst dir da sehr sicher zu sein.“ Was wahrscheinlich bedeutete, dass James einen guten Grund dafür hatte. Er machte nicht den Eindruck, vorschnell in Panik zu verfallen. Wenn Matt sich recht erinnerte, war James jemand, der in schwierigen Situationen immer ruhig bleiben und einen kühlen Kopf behalten konnte.
Matt konnte sich noch gut daran erinnern, als er mit vierzehn ein großes Grasfeuer hatte bekämpfen müssen. Den ganzen Tag lang hatte er mit anderen Jugendlichen aus Weimar Gräben gezogen, die das Feuer nicht überspringen konnte. Als am Nachmittag der Wind drehte und das Feuer die Richtung wechselte, waren sie eingeschlossen worden.
Sie alle waren seit ihrer Geburt darauf vorbereitet worden, was in so einer Situation zu tun war, aber nur James war ruhig geblieben, hatte die anderen angewiesen, ein Gegenfeuer um sie herum zu legen und sie dann unter ihre Feuerschutzdecken geschickt, um abzuwarten, bis es vorbei war.
Äußerlich war Matt der Schweiß heruntergelaufen, aber innerlich war ihm eiskalt gewesen. Er war mit Asche und einer Gänsehaut überzogen, während kalte Schauer seinen Rücken hinunterliefen. Den Feuerschutz aus Alufolie, der seit 50 Jahren im Besitz seiner Familie war, hatte er sich über den Kopf gezogen und seine Daumen in die Bänder an den Ecken gehakt. Sein Herzschlag hallte laut darunter wider, oder vielleicht auch nur in seinem Kopf. Matt hatte solche Angst, dass er sich fast in die Kuhle übergeben hätte, die er in die Asche gekratzt hatte, um sich hinein zu ducken.
Als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, schaute er unter dem Feuerschutz hervor, direkt in James Gesicht. „Leg dich hin.“ Das waren die ersten Worte von James, an die Matt sich erinnerte.
Also legte Matt sich hin. Das Feuer brannte sich um ihr Gegenfeuer herum und kam nie auch nur in ihre Nähe.
Matt schob die Erinnerung beiseite und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt.
James fuhr sich mit einer Hand über das Kinn und seine Bartstoppeln knisterten. Wahrscheinlich hatte er hier keinen Ultraschallrasierer. Dann strich er sich mit einer Hand durch die Haare und zog abwesend daran. Er blies die Wangen auf und atmete dann langsam aus. Matt brauchte keinen Abschluss in Psychologie, um James Körpersprache zu lesen. James verheimlichte ihm etwas – oder wusste nicht wie er es ihm sagen
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