Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
geben. Melden Sie sich einfach morgen bei ihr“, schnauzte die Kontaktperson und wandte sich zur Tür.
„Wie ist Ihr Name?“, fragte James. Eigentlich war es ihm egal, aber er hätte wetten können, dass der Typ ihm solche Sachen nicht sagen durfte. Er versuchte etwas, an dem er seit einer Weile arbeitete und gab dem Kerl einen mentalen Schubs.
„Joel“, antwortete der Agent. Dann erstarrte er mitten im Schritt. „Scheiße“, zischte er, mehr ängstlich als verärgert, ging hinaus und schlug die Tür zu, ohne James noch einmal anzusehen.
James schnaubte leise. Jetzt musste er sich entscheiden, ob es besser war, heute Nacht zu verschwinden oder 0845 morgen früh abzuwarten. Aber schließlich ging er in das Gästezimmer, schaltete das Licht ein und machte sich dann ans Packen.
E S FING gerade erst an zu dämmern, als es an der Tür klopfte. James öffnete. Es war Matt und er trug ein T-Shirt von Bashas Restaurant.
„Guten Abend, Sir“, Matts Stimme war ruhig und professionell, aber er lächelte breit und seine Augen glitzerten übermütig. Wenn James ihn ansah, zog sein Magen sich zusammen, genauso wie am Nachmittag, als er – buchstäblich – auf Matt gelandet war. Er hatte in letzter Zeit nicht genug Körperkontakt mit attraktiven Männern gehabt. „Ich glaube, Sie haben heute Nachmittag Ihren Hut bei uns vergessen, Sir.“
James nahm sich kurz Zeit, all die Veränderungen aufzulisten, die ihm an Matt aufgefallen waren – er hatte nicht mehr dieses jungenhafte Gesicht, aber er war immer noch unheimlich attraktiv – und lenkte seinen Blick dann auf Matts leere Hände. Er hob eine Augenbraue und schließlich den Kopf. Matt machte eine winzige Geste, die wohl „dein Einsatz“ bedeuten sollte.
„Ähm, nein. Diesen Hut habe ich noch nie gesehen.“
Matt verdrehte die Augen. „Ja, Sir, entschuldigen Sie bitte das Missverständnis. Almira dachte, dass es Ihrer wäre und hat mich gebeten, bei Ihnen vorbeizukommen.“ Er lächelte, als ob er etwas besonders Schlaues gemacht hätte.
James zuckte mit den Schultern als wollte er sagen: „Und jetzt?“ Matt machte weiter. „Ein wunderschöner Abend, nicht wahr?“
„Ähm, ja. Sicher.“ Im Nachhinein fiel James auf, dass er nicht spüren konnte, was Matt im Sinn hatte. Er konnte seinen Geist überhaupt nicht lesen.
„An solchen Abenden sitze ich gerne zu Hause in meinem Garten. Mit einem Bier.“
Matt betonte „Bier“ ein wenig. James verdrehte die Augen. „Ja, gut, ich hoffe für Sie, dass da heute noch was draus wird. Auf Wiedersehen“, sagte er mit einem Hauch von Schadenfreude und schlug Matt die Tür vor der Nase zu. Er grinste und wartete, bis Matt das Ende des Gehwegs erreicht und die Straße betreten hatte, bevor er zu seinem Kühlschrank ging und ein paar Beutel Bier herausholte.
Hinter dem Haus hatte James seinen eigenen kleinen Garten mit Terrasse. Zu beiden Seiten gab es eine Mauer und am Ende, in Blickrichtung des Ziegelbaus, einen kleinen Zaun. Dank der Mauern und einer großen Pinie konnte der Garten nur von wenigen Stellen aus eingesehen werden. James kannte sie alle und suchte sie jetzt visuell ab. Auch keine Anzeichen für mobile Überwachung. Fliegende Micro-Wanzen kannte man in Idaho so gut wie gar nicht. Er stellte sich hinter der Pinie einen Stuhl an den Zaun und zog die Lasche seines Biers heraus.
Nach wenigen Minuten sah er einen Mann in schmutzig-gelben Allwettersachen und einem schwarzen, aus der Mode gekommenen Baseball-Cap die Straße entlang auf ihn zuschlurfen. Er wusste, dass es Matt war, aber er sah nicht das kleinste Bisschen wie der Lieferjunge von Bashas aus, der noch vor zehn Minuten vor James’ Tür gestanden hatte. Sein aschblondes Haar war unter der Kappe versteckt. Vor allem bewegte Matt sich jetzt ganz anders. Als Lieferjunge hatte er schnell, effizient und professionell gewirkt – fast strebsam – aber dieser Bauarbeiter war nach einem langen Tag auf der Baustelle todmüde und konnte kaum die Füße heben. Sogar seine Haltung wirkte erschöpft.
Obwohl Matts Herangehensweise ihn zuerst wenig überzeugt hatte, musste er zugeben, dass Matt etwas von seinem Job zu verstehen schien. Bis jetzt. Er hatte immer angenommen, dass Matt zur SOUF gehen würde, weil ein Großteil seiner Familie dort arbeitete, aber die QESA schien für ihn genau das Richtige zu sein.
Am Zaun angekommen hob James das andere Bier vom Boden auf und reichte es Matt. „Nette Hose.“
„Gefällt sie dir? Habe ich nur
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