Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
Matt sah sich mit trübem Blick um, während James ihm so lange zuredete, bis er etwas trank und aß. Es ging ihm nicht besonders gut. Mit den Medikamenten und den Nanos sollte es ihm eigentlich nach 13 Stunden Schlaf schon wesentlich besser gehen.
„Lass mich mal deine Schulter sehen, Matty.“
„Lieber nicht.“
„Komm schon, ich muss es mir anschauen. Inzwischen sollte die Gefahr einer erneuten Blutung vorüber sein. Außerdem haben wir zusätzliche Druckpflaster, jetzt wo wir die Ausrüstung des Mounties haben.“
Matt starrte ihn kläglich an. Aber als James sich vor ihn hinkniete, stellte er die Tasse ab, aus der er getrunken hatte. Für einen kurzen Moment hielt Matt James’ Hand fest, als er sie nach ihm ausstreckte. „Ich glaube, es ist schlimm, James.“ James drückte seine Hand nur, bevor er sie ihm entzog. Er musste es sich ansehen; Matt wusste das.
James entsiegelte Matts Hemd und versuchte, sich nicht ablenken zu lassen. Seine Finger streiften vorsichtig Matts blasse, glatte Haut, als er das Hemd beiseite schob. James hätte schwören können, dass Matt erschauerte. Oder vielleicht war er es selbst. Verwirrt entfernte James das erste Druckpflaster. Es bedeckte den ganzen Deltamuskel und die Rundung von Matts Schulter. Nachdem er es abgerissen hatte, fuhr er ein paar Sekunden lang mit seinen Fingerspitzen über die weiche Haut auf Matts Rücken.
Aber dann sah er die Wunde, und davon konnte ihn nichts ablenken.
„Verdammter Mist!“ Er brüllte fast. Na, das würde den Patienten sicher beruhigen.
„Was?“ Matt starrte geradeaus auf James’ Nacken und weigerte sich, die Wunde anzusehen.
Matts Schulter sah aus wie ein Stück Fleisch. Rot wie ein gesundes Stück Fleisch, aber wund und offen. James konnte sogar das weiße Schlüsselbein sehen. Aber die Wunde nässte kaum und blutete nicht. Er würde sie säubern müssen. Die Nano-Heiler und die Depot-Antibiotika, die James ihm gegeben hatte, halfen die Wunde gesund zu halten, aber er musste das abgestorbene Gewebe entfernen.
Wie oft hatte er jemanden unterwegs behandelt? Fünfzigmal? Öfter? Es war das erste Mal, dass er den angerichteten Schaden so sehr unterschätzt hatte. Hoffentlich. James schluckte. Seine Kehle war so trocken, dass ein leises klickendes Geräusch zu hören war.
„Ja, es ist schlimm, Matt. Schlimmer als ich dachte.“ Er hob den Blick und sah Matt ins Gesicht. Matt sah ihn nicht an. „Tut mir leid.“
Jetzt sah Matt ihn an. „Was tut dir leid?“
„Dass ich ... dass ich das Ausmaß der Verletzung unterschätzt habe.“
Matt sah ihn fragend an. „Und? Du hättest doch sonst auch nichts machen können, oder? Nicht mehr?“
James dachte darüber nach. „Nein, ich schätze nicht.“
„Du hast einfach nur gedacht, es würde schneller heilen, oder?“
James nickte und schluckte wieder. „Ja.“
„Dann muss es dir nicht leid tun. Hol ein neues Druckpflaster und dann machen wir es drauf. Ich glaube, um die andere Wunde müssen wir uns nicht kümmern.“ Matt hatte sich seine Schulter immer noch nicht angesehen.
„Ich muss die Wunde säubern, Matt.“ Matt seufzte, protestierte aber nicht. James machte sich an die Arbeit.
„James?“ Matt klang zögerlich.
„Ja?“ James, der gerade dabei war Matts Schulter zu betäuben, indem er eine Salbe in die unverletzte Haut rieb, sah auf.
„Ich werde nicht – ich meine, ich werde den Arm nicht verlieren, oder?“ Matt wandte sich ab.
James hörte auf, die Salbe aufzutragen und lehnte sich nach vorne. Er schob mit der Nase Matts Haare weg und küsste ihn auf die Stirn. Matt sah ihn überrascht an.
„Nein. Du wirst ihn nicht verlieren.“ James’ Stimme war fest. Sie starrten sich eine Sekunde lang in die Augen, bevor Matt sich wieder abwandte.
Nach dem James das meiste abgestorbene Gewebe entfernt hatte, legte er ein neues Druckpflaster an. Es war die beste Art, die klaffende Wunde geschlossen und sauber zu halten, solange sie unterwegs waren.
Dann machte er sich an die andere Wunde. „Ich muss den Arm säubern, Matt.“ Matt nickte. Sein Blick ruhte auf Miz Horse. Er hatte einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
„James, was hat sie d –?“ Aber bevor er den Satz beendet hatte, spürte er schon das hämmernde Vibrieren in seiner Prothese. James, der an Matts Bein lehnte, konnte es auch spüren. Er starrte einen Moment lang verwirrt auf das Bein. „James“, sagte Matt scharf. „Sie muss auch unter die Tarndecke.“
Verdammt. Hierher, Miz . Die
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