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Ackermann tanzt

Titel: Ackermann tanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders
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fahren. Vielleicht sind sie ja bei denen.«
    Jansens Mienenspiel war schwer zu deuten. »Kaufmanns sind die einzige Familie, bei der ich bisher nur einen Hausbesuch gemacht habe. Küppersstraße ...«
    Er nannte ihm die Hausnummer.
    Als van Appeldorn gerade in die Seitenstraße abbiegen wollte, entdeckte er zwei Jungen in Fußballtrikots von Siegfried Materborn, die sich am Kiosk herumdrückten – die Eilers-Zwillinge. Er bremste und hielt am Straßenrand.
    Die beiden wurden sofort aufmerksam, guckten zuerst misstrauisch, aber dann erkannten sie ihn und kamen angerannt. »Norbert! Was machst du denn hier?«
    »Das wollte ich euch gerade fragen. Warum seid ihr nicht in der Schule?«
    »Heute ist keine – Lehrerausflug.«
    »Wer’s glaubt, wird selig. Dass ihr mir morgen pünktlich am Platz seid!«
    »Sind wir doch immer, Trainer. Fährst du zu uns?«
    »Nein, ich will zu euren Nachbarn.«
    Im Rückspiegel sah er, dass sie ihm nachliefen und musste grinsen – neugierige Bande!
    Aber sein Lächeln schwand, als er in die Küppersstraße einbog. Kahle, graubeige Mietskasernen mit zertrampelten Rasenflächen und bröckeligen Betonplatten davor. Hier und da der rührende Versuch, ein Zuhause zu schaffen, geputzte Fenster mit Wolkengardinen und Fensterbildern, Blumenkästen. Da wohnten Leute, die es nur übergangsweise hierher verschlagen hatte. Leute wie Familie Eilers. Er hatte die Zwillinge ein paar Mal nach dem Training nach Hause gebracht, wenn es regnete. Die beiden hatten kein Fahrrad.
    Das Haus, in dem Kaufmanns in der Erdgeschosswohnung lebten, gehörte zu der trostlosen Sorte. Die Drahtglasscheibe in der Haustür war gesprungen und völlig verdreckt, am Schloss war mehr als einmal herumgehebelt worden.
    Er stieß die Tür mit dem Ellbogen auf. Die Wände im Hausflur waren bekritzelt und beschmiert, der graue Linoleumboden so schmutzig, dass man kleben blieb. Es stank nach Rauch, Fäkalien, angebrannten Kartoffeln und süßem Parfüm.
    Die Klingel funktionierte nicht. Also bollerte er gegen die verschrammte Wohnungstür. Es dauerte, aber er hörte, dass sich drinnen etwas bewegte. Dann öffnete ihm eine Frau in einem angeschmuddelten blauen Morgenmantel, der über den nackten Brüsten weit auseinander klaffte.
    »Frau Kaufmann?«, fragte er. Konnte sie das sein? Björns Lehrer hatte gesagt, die Mutter sei noch jung, gerade mal dreißig.
    »Ja«, antwortete sie lauernd. Mit den fettigen, langen Haaren, den verquollenen Augen und der teigigen Haut sah sie gut fünfzehn Jahre älter aus. Der knallrot angemalte Mund machte den verkommenen Eindruck perfekt.
    »Van Appeldorn, Kripo Kleve. Ich muss mit Ihnen sprechen.«
    Sie zuckte nur kurz die Achseln und raffte den Morgenrock über dem Busen zusammen.
    Auf der Tapete im winzigen Flur prangten auf olivgrünem Grund goldene Ranken und dicke Blumenbuketts. Ein aufgeklebtes Puzzle hing an der Wand, eine Alpenlandschaft mit einer weißen Zwiebelturmkirche. Daneben auf braunem Holz ein Sinnspruch: Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.
    Frau Kaufmann trat zur Seite und schloss schnell die Tür zum Schlafzimmer, aber van Appeldorn hatte schon einen Blick hineingeworfen. Zwei zusammengeschobene Jugendbetten vom Sperrmüll, zwischen geblümten Frotteelaken lag ein nackter Mann und schnarchte mit offenem Mund.
    Die Frau schien zu zögern, aber dann stieß sie doch die zweite Tür auf. »Kommen Sie rein, Herr Kommissar.«
    Van Appeldorn blieb angewidert stehen. Das Wohnzimmer hatte dieselbe Tapete, nur in Braun. Die wackelige, abgeschabte Couchgarnitur war von Flecken übersät, sodass man ihre ursprüngliche Farbe nur ahnen konnte, Stapel von Papier und anderem Müll bedeckten den Kunststoffboden, auf dem schmierigen Tisch stand eine Batterie von leeren und halb vollen Schnapsflaschen, dazwischen Untertassen, die von Kippen und Asche überquollen. Eine Bierflasche war umgekippt, in der stinkenden Lache schwammen zerknüllte Zigarettenpäckchen.
    Auf dem Sofa schlief ein weiterer Mann. Er trug einen dicken, alten Wintermantel und zwischen den braunfleckigen Fingern seiner rechten Hand steckte eine erloschene selbst gedrehte Zigarette. Der Mann zwinkerte und sprang hoch, als hätte ihn was gestochen. »Ich hab nichts geklaut, Herr Kommissar«, schrie er, packte sich die Aldi -Tüte, die ihm als Kopfkissen gedient hatte, schubste van Appeldorn zur Seite und rannte hinaus.
    »War das Ihr Mann?«, wollte van Appeldorn wissen.
    »Nee.« Frau

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