Ackermann tanzt
holländischen Kartoffelsalat versprochen, sondern auch Pfannkuchen mit Ingwer gefüllt. Und das war ein Grund zum Feiern.
Später ging es ihm dann auch wieder gut. Er hatte lecker gegessen und die Mutti hatte sich richtig über die Rosen gefreut. Wer wollte da noch moppern?
Er trocknete das Besteck ab und legte es in die Schublade. Es war ein bisschen ungünstig ausgekommen mit der Essenszeit, weil er früher dran gewesen war als sonst und Mutti mit den beiden Kleinen doch Marienhof gucken musste. Machte ja auch nichts, hatte er eben gespült.
Nadine fand Marienhof »ätzend« und »für Minderbemittelte«. Sie saß bei ihm in der Wohnküche am Tisch und paukte Matheformeln.
Er trocknete sich die Hände ab, hängte das Küchenhandtuch auf und setzte sich zu ihr.
»Soll ich dich abhören?«
»Bloß nicht! Nach fünf Minuten fängst du nur wieder damit an, dass euer Matheunterricht damals viel besser war. Dreh mir mal lieber eine.«
»Wie? Ich denk, du rauchs’ nur Aktive.«
Sie strich sich den Pony aus der Stirn und guckte süß. »Zigaretten sind im Moment nicht drin. Ich bin total pleite.«
»Pleite, so so. Wir haben doch erst den Siebten.«
»Na ja, ich habe mir zwei CDs kaufen müssen ...«
Ackermann lachte. »Dat is’ nu’ Pech. Un’ hör auf, mit den Wimpern zu klimpern. Da fall’ ich überhaupt nich’ drauf rein. Ich hab schließlich vier Frauen. Dat stählt, sach ich dir.«
»Weiß ich doch. Trotzdem, nur zwanzig Mark, ja? Du kriegst es auch zurück.«
»Ha, ha, wenn ich dat all zurückgekricht hätt, wat ihr mir schon versprochen habt, wär ich Millionär. Aber ma’ kucken. Wat anderes: Wieso soll ich dir eine drehen? Dat kannste doch selber. Hier!« Er schob ihr sein Tabakpäckchen mit den Blättchen rüber.
»Klar kann ich das, aber du kannst es besser.«
»Komm, dann zeig ich et dir noch ma’, pass auf ...«
»Papa, du nervst! Deinen einhändigen Dreh kriege ich sowieso nicht hin. Also gib’s endlich auf.«
Er seufzte, nahm ein Blättchen, fusselte sich eine Portion Tabak zusammen und rollte. »Eins hab ich mir in mein’ Leben immer gewünscht«, meinte er theatralisch.
»Ja, ich weiß, einen Sohn, der deine Traditionen fortsetzt.«
Dann lachten sie beide.
»Weißte, wat heute Thema eins inne Firma war?«
Er erzählte ihr die Geschichte von den drei nackten Russen.
»Du wars’ doch auch da gestern. Has’ du wat davon mitgekricht?«
Nadine konnte sich gar nicht beruhigen. »Ich lach mich kaputt. Wie ich denen das gönne! Ich muss gleich die anderen anrufen und das erzählen. Davon haben wir nichts mitgekriegt. Gestern war es echt cool, endlich mal friedlich. Normalerweise hast du immer irgendwelche Prügeleien auf den Feten. Oft genug hecken diese Typen das schon Tage vorher aus, wann und mit wem die Zoff anfangen wollen. Nur wir wissen das nie.«
»Wer is’ denn wir?«
»Meine Freunde und ich. Die von der Penne eben. Der Stunk läuft meist zwischen denen von der Hauptschule ab.«
»Is’ dat echt so getrennt?«
»Klar! Die wollen mit uns nichts zu tun haben. Für die sind wir die Gymies. Und ich bin auch nicht gerade scharf auf diese Asis. In letzter Zeit hat’s echt keinen Spaß mehr gemacht. Mit den Kurden war es schon brutal genug, weil die immer Messer bei sich haben. Aber seit die Russen hier sind! Die sind total gefährlich. Die kennen überhaupt nichts. Die treten auch noch zu, wenn jemand längst am Boden liegt. Und zwar richtig, ins Gesicht und in den Bauch. Das sind keine Menschen, das sind Tiere!«
»Nadine!« Ackermann wusste gar nicht, was er sagen sollte.
»Ja, ja, ja«, meinte seine Tochter. »Das ist alles schön und gut, von wegen, wir diskriminieren keine Ausländer. Du hast die ja auch noch nie erlebt. Sogar die Kurden kriegen Schiss, wenn Russen auftauchen. Du hast doch keinen Schimmer, was heute abgeht. Das ist nicht mehr so wie bei dir damals: geile Partys mit Knutschen und Kiffen und wir sind alle eine große Familie, nur weil wir alle Jugendliche sind. Die große Familie gibt’s nicht mehr. Jeder fuckt jeden ab und über Haschisch können die meisten nur lachen. Ist denen viel zu soft. Wenn du mit einem von der Hauptschule sprichst, dann versteht er dich entweder nicht oder aber er wird unheimlich aggressiv, weil du anders redest als er und er sich dadurch verarscht fühlt.«
Sie schilderte ein paar Szenen, die sich am Rande der letzten Scheunenfeten abgespielt hatten und die Ackermann sich bisher eigentlich eher in der New Yorker Bronx
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