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Ackermann tanzt

Titel: Ackermann tanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders
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spätestens.
    »Wat meins’ du, Kind? Ich stell den Wagen besser hier anner Straße ab, wa? Der Parkplatz oben is’ bestimmt rappelvoll.«
    Es goss mal wieder in Strömen und der Waldweg, der zur Reithalle hinaufführte, war aufgeweicht und rutschig. Die Mädchen mit den Brikettschuhen hatten ihre liebe Mühe, nicht auf die Nase zu fallen.
    Ackermann kicherte. »Warum tun die sich so wat an? Dat sieht doch aus, als hätten die alle Klumpfüße.«
    Nadine zuckte nur die Achseln und hakte sich bei ihm ein.
    »Du könns mir übrigens ’n Gefallen tun, Süße. Sperr ma’ deine Lauscher auf, ob de wat rauskriegs’ über die nackten Russen.«
    »Wie hoch ist denn die Belohnung?«
    Am Eingang stand derselbe Rausschmeißer, den er auch schon in Mehr getroffen hatte, ein zweiter lungerte bei den Toiletten herum. Saalordner konnte Ackermann nirgendwo entdecken.
    »Schwirr ab!« Er gab Nadine einen Klaps auf den Po. »Da vorne stehen Frauke un’ Susanne.« Aber seine Tochter hatte ihre Freundinnen längst selbst gesehen. Sie warf ihm einen Luftkuss zu und drängelte sich durch die Menge, die hier vorn am Eingang bei den Getränkeständen besonders dicht war.
    Rauchschwaden hingen in der feuchten Luft, der tiefe Sandboden war aufgewühlt. Nur an der Stirnseite hatte man Paletten ausgelegt – die Tanzfläche. Das Licht war nicht gerade gemütlich zu nennen. Früher war das anders gewesen. Zumindest hatte man rote Glühbirnen in die Lampen geschraubt und die Wände ein bisschen dekoriert. Aber damals hatte es solche Massenfeten auch noch nicht gegeben, die irgendeiner veranstaltete, der bloß seinen Reibach machen wollte. Hier waren mindestens fünfhundert Leute. Da konnte doch keine Stimmung aufkommen. Jedenfalls keine gemeinsame.
    Der Diskjockey legte eine Scheibe von so einem Schlagerfuzzi auf und im Nu füllte sich der Tanzboden. Ackermann musste grinsen. Genau wie zu seiner Zeit tanzten die jüngeren Mädchen mit ihren Freundinnen, weil die Jungs sich nicht trauten.
    Er fand einen Platz an der Wand, rollte sich eine Zigarette und sah sich um. Vieles hatte sich nicht geändert: Die Mädchen gluckten mit den Mädchen zusammen, kicherten, flüsterten, umarmten sich; die Jungen standen ein Stück weiter, Bierglas in der Hand, klopften Sprüche und sich gegenseitig auf die Schultern. Natürlich gab es auch knutschende Pärchen. Bei Nadine und ihren Freundinnen standen ein paar Jungs herum, die alle diese komischen Buffhosen trugen, die so tief hingen, dass man die Unterhosen sehen konnte und manchmal auch ein Stück vom Popo. Auch eine Aussage! Ackermann hatte mal in einem Lexikon ein Foto von einem Südseeinsulaner gesehen, der Elefantiasis am Hodensack gehabt hatte – der Mann hätte sich über so eine Buxe bestimmt gefreut.
    Er lachte meckernd, laut genug, dass sich die Jungen, die ein paar Meter entfernt standen, zu ihm umdrehten und Witze rissen. Einer zeigte auf den Piepser, den Ackermann am Hosenbund trug und flüsterte seinem Nebenmann etwas ins Ohr. Die Jungs hatten alle die gleiche Frisur, wie mindestens hundert andere in der Halle auch, musste schwer in Mode sein: ein paar glatte Haare mit Poposcheitel oben auf dem Schädel, festgekleistert mit Pomade, der ganze Rest war abrasiert. Sah irgendwie nazimäßig aus. Was die Farben der Kleidung anging, schien man heutzutage nicht viel Auswahl zu haben, alles schwarz, grau, dunkelblau, manchmal ein bisschen was Weißes. Und er hatte sich schick machen wollen und extra sein rotes Hawaii-Hemd angezogen, das die Mutti in Nijmegen gekauft hatte. Jetzt kam er sich vor wie ein Feuermelder.
    Ach, guck mal an, da hinten war ja auch Norberts Kleine. Er winkte: »Hu hu, Anna!« Aber sie hatte ihn wohl nicht erkannt. Na bitte, der Norbert war also doch nicht so streng, wie er immer tat; ließ das Kind auch mal nachts ausgehen. Meine Fresse, die hatte die dicksten Bremsklötze unter den Schuhen, die er je gesehen hatte! Und das bei einem so zierlichen Persönchen. Wieder musste Ackermann lachen. Zu seiner Zeit hatte man schließlich auch nicht gemerkt, wie bescheuert man ausgesehen hatte in diesen Schlaghosen, die einem auf der Hüfte klebten und so spack saßen, dass sie einem alles abdrückten. Und selbst die fetteste Wampe hatte sich in so einem engen Rippenpulli präsentiert. Wenn man heute die Fotos sah ...
    Damals wäre das hier ein olivgrünes Meer gewesen. Schließlich hatte jeder einen Bundeswehrparka gehabt und einen Strickschal, der mindestens 2,5 m lang sein musste.

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