Ackermann tanzt
zog den Hund am Halsband zurück. »Die Kleinen haben wir ja schon ins Bad gesperrt.«
»Alle! Auch die beiden großen«, befahl van Appeldorn. »Wir werden uns auch beeilen«, meinte er dann einlenkend.
Im Esszimmer rechts saß Frau Rogmanns am Tisch und stierte vor sich hin.
»Guten Abend«, grüßte Ackermann unbeholfen, aber sie antwortete nicht, sah ihn nur verstört an.
Van Appeldorn schob ihn weiter ins Wohnzimmer. Hier sah es wüst aus, herausgezogene Schubladen, durchwühlte Schränke, Papiere und Bücher überall auf dem Boden verteilt, auf dem Tisch waren ein Videorecorder, eine Stereoanlage und eine Kamera aufeinander gestapelt. Am schlimmsten sah es rund um die Sitzgruppe aus. Das Dachfenster darüber stand sperrangelweit offen und es musste tagelang hereingeregnet haben. Das weiße Sofa war völlig durchweicht und mit schlammigen Schuhspuren übersät, auf dem hellrosa Teppichboden hatten sich Pfützen gebildet, der Belag schlug Wellen.
An der rechten Seite führte eine offene Treppe in den Keller hinunter.
»Er ist da unten«, sagte van Appeldorn, aber Ackermann hatte den Jungen schon entdeckt. Er lag ungefähr einen halben Meter von der untersten Stufe entfernt auf dem Rücken. Der Kopf war zur Seite gekippt. Die Kellertür hinter ihm stand weit offen.
»Müssen wir da runter?«, fragte Ackermann kleinlaut.
»Wir gehen außen rum, sonst machen wir noch mehr kaputt. Rogmanns sind schon hier runtergelaufen und die Hunde haben überall rumgetrampelt.«
»Dat seh ich«, meinte Ackermann und zeigte angeekelt auf den verschmierten Hundehaufen auf der zweiten Treppenstufe.
»Rogmanns sind da nicht reingetreten«, meinte van Appeldorn. »Das hab ich schon überprüft. Der Dreck ist angetrocknet, muss also schon länger hier liegen.«
»Vielleicht is’ der Jung’ ja da drauf ausgerutscht un’ die Treppe runtergefallen«, überlegte Ackermann. »Un’ dabei hat er sich dat Genick gebrochen.«
»Möglich. Komm jetzt!«
Ackermann ging nicht mit in den Keller. Er blieb in der offenen Tür stehen und hielt seinen Blick fest auf die Beine des Toten geheftet. Spillerige Kinderbeinkes, dachte er und schluckte. Der Junge war ja auch erst vierzehn gewesen.
Oben klingelte jemand an der Haustür. Van Appeldorn stieg vorsichtig über den Toten hinweg und trat näher an die Treppe heran. »Herr Rogmanns!«, rief er. »Wenn das der Arzt ist oder der Kollege vom Erkennungsdienst, schicken Sie sie bitte hinten herum.«
Klaus van Gemmern erledigte die gesamte technische Arbeit für die Polizei schon seit über einem Jahr ganz allein und war eigentlich ständig übermüdet, aber er beklagte sich selten. Er war Junggeselle und außer seiner Arbeit interessierte ihn nur seine umfangreiche Sammlung alter Hendrix- und Zappa-Platten. Vor ein paar Monaten hatte die Meinhard ihm eine junge Kollegin zur Seite gestellt, die aber schon nach drei Wochen das Handtuch geworfen hatte. Van Gemmern verlangte von einem Mitarbeiter das Gleiche wie von sich selbst: unbedingten Einsatz, schnelle, fehlerlose Arbeit und ein großes Maß an Kombinationsgabe.
Man musste ihn aus dem Tiefschlaf geklingelt haben, denn er war noch blasser und wortkarger als gewöhnlich. Nach einem knappen Gruß stellte er seinen Koffer ab und ging langsam um den Toten herum, dann hockte er sich neben ihn und betrachtete eingehend Gesicht und Hände.
»War schon ein Arzt da?«, wollte er wissen.
»Nein«, antwortete van Appeldorn. »Ich habe Bonhoeffer Bescheid geben lassen. Der besteht neuerdings drauf.«
»Gut so!« Van Gemmern holte seine Kamera aus dem Koffer und fing an zu fotografieren.
Arend Bonhoeffer, der Pathologe, war mit dem Taxi gekommen. »Wir hatten einen herrlichen Burgunder zum Abendessen und bei einer Flasche ist es nicht geblieben«, schwatzte er, als er vom Garten herunterkam, wurde dann aber sofort ernst. »Ein Kind.«
Ackermann ließ ihn vorbei und nickte. Ein »Guten Abend« wollte ihm nicht über die Lippen. Andy Kaufmann war genauso alt gewesen wie seine Jeanette.
Auch Bonhoeffer hockte sich erst einmal neben die Leiche und schaute nur. »Hilfst du mir beim Entkleiden, Klaus?« Die beiden Männer zogen Latexhandschuhe an. Ackermann kämpfte mit dem Würgen und ging nach draußen. »Ich kann dat nich’, Norbert!«
»Dann bleib eben draußen. Oder geh hoch und sprich mit den Leuten.«
»Wat soll ich denn fragen?«
»Herrgott! Ob was fehlt. Was die Einbrecher haben mitgehen lassen, wie lange Rogmanns in Urlaub waren, ob
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