Ackermann tanzt
Saustaat sind Kinder nicht mehr sicher. Man kann sein Fleisch und Blut ja noch nicht mal vor die Türe lassen, ohne dass sich so ein Perverser an die ranmacht und sich an die vergreift. Und die Polizei guckt weg und lässt die auch noch wieder laufen. Die Polizei und die Politiker. So sieht das doch aus! Wenn ich so ein Schwein zwischen die Finger krieg ...« Dann wieder ein Schwenk auf die gebeutelte Mutter, »... mein Kind verloren ... lieber selber tot sein ...«
Anna stöhnte und endlich sah van Appeldorn sie an. »Was ist denn los mit dir?« Er packte sie an den Armen und zog sie zu sich heran. »Anna! Gott, ja, stimmt, du musst ihn ja kennen. Daran habe ich gar nicht gedacht.«
»Andy ist tot? Wieso ist Andy denn tot?«, schluchzte sie.
Van Appeldorn nahm sie in die Arme, aber sie wand sich und machte sich wieder frei. »Sag doch!«
Er suchte nach Worten. Warum hatte er bloß nicht nachgedacht? Natürlich kannte Anna den Jungen; er war an ihrer Schule gewesen. Kein Wunder, dass sie geschockt war. Schließlich erzählte er ihr so sparsam wie möglich von dem Einbruch.
Sie nickte.
»Du wusstest aber doch, dass Andreas nicht gerade ein Kind von Traurigkeit war.«
Wieder nickte sie. »Seine Schwester ist bei mir in der Klasse. Aber wieso ist er denn tot?«
»Er ist gestürzt und hatte eine Gehirnerschütterung. Dadurch hat er sich übergeben müssen und daran ist er erstickt.«
Anna schloss die Augen. »Wie schrecklich«, flüsterte sie.
»Ja«, nickte van Appeldorn und strich ihr übers Haar. »Wenn sich jemand um ihn gekümmert hätte, wäre das nicht passiert.«
Das Mädchen sprang plötzlich auf. »Ich muss Jacqui anrufen.«
Van Appeldorn zog sie aufs Sofa zurück. »Hältst du das für eine gute Idee?«
»Ich weiß nicht ... aber ich rufe Carmen an. Ich muss das doch erzählen.«
»Lass es sein, beruhige dich erst mal.«
Aber Anna wollte nicht. »Carmen ist meine beste Freundin. Bitte, Norbert, ich will mit einem reden!«
Er gab sich geschlagen. »Wenn’s sein muss. Aber danach kommst du wieder her.«
Sie schüttelte den Kopf. »Warum denn?«
»Weil du komplett von der Rolle bist, Mädchen. Pass auf«, seine Gedanken überschlugen sich, »während du telefonierst, räume ich die Küche auf und decke den Tisch. Und dann rufe ich das Pizzataxi. Wenn Mama und Nora nach Hause kommen, machen wir es uns gemütlich.«
Sie starrte ihn entgeistert an. »Du bist bescheuert!«
Das Telefon rettete die Situation. Van Appeldorn schaltete den Fernseher aus und ging in den Flur, wo der Apparat stand. Es war Ackermann.
»Norbert ...« Das klang nach Entschuldigung. »Ich weiß, du has’ gesacht, wir machen dat morgen, aber ich hatt einfach keine Ruh’, weil dat Mädken war doch so nett. Ich war bei der Jacqueline.«
»Und?«
»Wenn du mich frachs’, die hat nix damit zu tun. Die hat wohl zu Hause erzählt, dat die Rogmanns in Urlaub sind, musste se ja schonn, weil se nicht mehr jeden Tach hingegangen is’, aber sons’ nix. Un’ ich glaub ihr.«
»In Ordnung«, sagte van Appeldorn.
Anna war im Badezimmer verschwunden, als das Telefon geklingelt hatte, und seitdem rauschte ununterbrochen das Wasser. Hoffentlich kam Marion bald.
»In Ordnung, Jupp, gut gemacht. Wir sehen uns morgen.« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern legte schnell auf. »Anna, ich bin fertig! Du kannst jetzt telefonieren.«
11
Wenn die nicht bald losfahren, dann fang ich noch an zu heulen. Björn riss mit den Zähnen einen Fetzen von seinem Fingernagel ab. Es brannte und fing an zu bluten.
So langsam wurde er wahnsinnig hier oben. Kein Fernseher, keine PlayStation, nicht mal einen zum Quatschen. Bloß die Bücher, die Lutz ihm gebracht hatte und die kein Schwein verstehen konnte. Er hatte es nicht so mit dem Lesen. Als er noch klein war wohl. Da hatte Mama ihm vom Einkaufen manchmal Donald Ducks mitgebracht. Die waren klasse gewesen. Und zur Kommunion hatte er zwei Bücher gekriegt. Wo die wohl geblieben waren?
»Du kannst jetzt runterkommen«, rief Lutz.
Behände kletterte Björn die Leiter hinunter. »Sind die endlich weg?«
Tante Martha und Onkel Bernd wollten zu einer Cousine fahren, die heute Geburtstag hatte.
Lutz nickte.
»Mann, hab ich Kohldampf!« Björn folgte seinem Vetter in die Wohnküche.
»Es ist noch ein Rest Bratwurst da und Kartoffelpüree. Kann ich dir warm machen.«
Björn verzog angeekelt das Gesicht. »Boah, ne, ej! Willst du mich kotzen sehen, oder was? Jetzt dick, fett Pommes!«
»Ist
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