Ackermann tanzt
Wohlgemerkt gegangen, nicht gelaufen. Übrigens auch die Person, die in den Hundehaufen getreten ist. Es war also, wie ich schon vermutet hatte, nicht Kaufmann.«
Ackermann nahm die Brille ab, hielt sich die Fotos von den Schuhabdrücken dicht vor die Nase und betrachtete sie eingehend.
Van Gemmern achtete nicht darauf. »Dafür habe ich an Kaufmanns Hose den Abdruck der Schuhsohle mit dem Kot gefunden, etwa in Höhe der Kniekehle.«
Er machte eine Pause und rieb sich die Augen. »Das Blut am Treppengeländer habe ich schon erwähnt. Darüber hinaus fanden wir an den Metallkanten der Treppenstufen Textilfasern, die nicht zu Kaufmanns Kleidung passen. Es handelt sich um schwarze, imprägnierte Baumwolle und sie findet sich an jeder Stufe bis unten. Es sieht so aus, als sei jemand die Treppe heruntergerutscht.«
»Vielleich’ der, der durch ’n Keller abgehauen is’«, meinte Ackermann. »Aber wieso überhaupt zwei Fluchtwege? Dat versteh ich nich’ ...«
»Augenblick!« Bonhoeffer stand auf. »Bevor ihr jetzt mit euren Spekulationen anfangt, mache ich mich lieber auf den Weg.«
»Ich komme mit.« Auch van Gemmern hatte seinen Stuhl zurückgeschoben. »Ich brauche noch Fingerabdrücke und Haarproben vom Toten.«
»Sach ma’, Norbert«, meinte Ackermann, als die beiden gegangen waren, »wieso haben die Einbrecher ei’ntlich nix mitgehen lassen?«
»Das wissen wir doch noch gar nicht«, gab van Appeldorn gereizt zurück. Er versuchte, sich ein Bild zu machen, aber nichts passte so recht zusammen.
»Doch, doch«, fuhr Ackermann unbeirrt fort. »Dat die wat mitgehen lassen wollten, dat wissen wir. Sons’ hätten die den Rummel nich’ zusammengepackt un’ auf ’m Tisch gestapelt. Die müssen gestört worden sein.«
»Aber dann spazieren die doch nicht einfach vorne zur Haustür raus!«
»Au’ wieder wahr. Warte ma’, jetz’ hab ich et! Die haben untereinander Krach gekriegt, die haben sich um irgendwat gekloppt.«
»Könnte sein«, bestätigte van Appeldorn. »Kaufmann zieht den Kürzeren und will durch den Keller abhauen ...«
»... und dabei fällt er die Treppe runter un’ holt sich ’ne Gehirnerschütterung«, ergänzte Ackermann. »Aber wat is’ mit dem andern, der auch durch ’n Keller raus is’?«
»Ich weiß es nicht.«
»Un’ warum hat der Rest der Truppe dat ganze Zeuch stehen lassen un’ is’ gegangen?«
»Ich sage doch, ich weiß es nicht.«
»Un’ wenn Björn Giltjes dabei war, wat ich persönlich ja glaub, wieso is’ der vermisst, sons’ aber keiner? Wat is’ mit die anderen?«
»Verflucht, Ackermann! Halt mal fünf Minuten die Klappe, ja. Ich muss mir überlegen, was ich gleich auf der Pressekonferenz sagen soll.«
Ackermann war tatsächlich eine Minute lang still. »Norbert«, kam es dann vorsichtig. »Ich glaub, jetz’ hab ich et wirklich: Die kriegen Krach untereinander, kloppen sich, dabei fällt Kaufmann die Treppe runter un’ bleibt besinnungslos unten liegen. Davon kriegen die andern Angst un’ hauen ab.«
»Und was ist mit dem Fußabdruck auf Kaufmanns Hose?«
»Du meins’, die haben den runtergetreten?«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht. Nur eins ist sicher: Wenn die anderen sich um Kaufmann gekümmert hätten, anstatt sich aus dem Staub zu machen, dann wäre der Junge nicht gestorben.«
10
Die Chefin stand schon auf dem Flur. »Wo bleiben Sie denn? Da drinnen ist der Teufel los.«
Van Appeldorn schob den Jackenärmel hoch und sah auf die Armbanduhr. »Drei vor fünf«, meinte er gelassen. »Wir sind pünktlich.«
Charlotte Meinhard ging nicht darauf ein. »Ich sage ein paar einführende Sätze und dann gebe ich an Sie weiter. Zwei Privatsender sind da. Lassen Sie sich von denen nicht verrückt machen.«
»Seh ich so aus?« Van Appeldorn schnaubte.
Sie drängten sich durch bis zu ihrem Tisch und setzten sich. Die Chefin zog ihr Mikrofon näher heran, aber zu einer Begrüßung kam es nicht mehr. Der Herr, der neben der Kamera eines privaten Fernsehsenders stand, preschte sofort vor: »Ist Andy Kaufmann aus Drogen- oder Stricherkreisen bekannt?«
Ackermann fiel die Kinnlade runter. »Woher kennen die dem seinen Namen?«, wisperte er.
»Hatte der Junge enge Kontakte zu dem Ehepaar?«, rief der Reporter. »War das Kind nackt?«
»Frage eins«, sagte die Meinhard kalt, »nein, Frage zwei, nein, Frage drei, nein. Und nun für die Kollegen von der seriösen Presse unsere bisherigen Ergebnisse. Bitte, Herr van Appeldorn!«
»Jaa«, meinte der
Weitere Kostenlose Bücher