Ackermann tanzt
habt auch Verantwortung! Es ist deine verdammte Pflicht, es uns zu sagen, wenn jemand Mist macht, damit wir handeln können.«
»Und was hilft das? Was passiert denn dann? Was passiert mit Björn?«
»Der hat Mist gebaut und dafür muss er geradestehen.«
Sie lächelte überheblich. »Ansichtssache!«
»Ansichtssache?« Jetzt brüllte er. »Eins kann ich dir garantieren: Wenn eine von euch so einen Scheiß baut und ich das mitkriege, dann zeige ich euch eigenhändig an.«
Marion ließ das Spültuch ins Becken fallen und fuhr herum. »Das ist doch nicht zu fassen! Aber dir traue ich das zu, ohne weiteres. Und du beklagst dich, dass deine Kinder kein Vertrauen zu dir haben.«
Van Appeldorn schob den Teller so heftig von sich, dass die Sauce über den Tisch und gegen die Wand spritzte. »Leckt mich doch alle!« Damit stürmte er in den Flur.
»Vergiss deinen Schlüssel nicht«, schrie Marion ihm nach. »Ich steh nicht mehr auf, wenn du wieder mitten in der Nacht nach Hause kommst!«
Ackermann tanzte. Er war glücklich. Kein Björn Giltjes im Wald, der Junge lebte vielleicht noch.
Und jetzt auch noch diese Musik, die Kinks, die alten Haudegen. You really got me ... Er ließ sich mitreißen, nahm sogar die zweite Hand hoch, bewegte sie auf und ab, schob das Kinn vor und zurück. »Yeah ... yeah!«
Die Jugendlichen um ihn herum klatschten den Takt mit. »Ackermann ... Ackermann ... Ackermann«, skandierten sie.
Die Musik endete und Ackermann öffnete die Augen, Schweiß rann ihm den Rücken hinunter. Links an der Tanzfläche stand Nadine, zeigte ihm einen Vogel, lachte aber dabei. Er hüpfte hinunter, nahm ihr den Colabecher aus der Hand und trank ihn leer. »Woher kennen die mich denn alle ?«, fragte er leise.
»Meine Güte, wir kennen uns doch alle untereinander, mehr oder weniger. Dass du mein Vater bist, hat sich schon beim ersten Mal herumgesprochen. Man kann ja auch nicht behaupten, dass du dich besonders unauffällig benimmst. Los!« Nadine streckte die Hand aus.
»Wat denn?«
»Die Cola hatte ich von meinem Geld bezahlt. Also, raus mit der Knete!«
»Warte ma’, sofort.« Ackermann hatte Anna van Appeldorn entdeckt. »Anna, hör mal, ich muss dir wat sagen.«
Sie schien nicht gerade begeistert zu sein, aber sie blieb stehen, bis Ackermann bei ihr war.
»Du, ich glaub, ich hab Mist gebaut ...«
»Wieso?«, meinte sie gelangweilt, sah ihn gar nicht an.
»Ich hab mich bei Norbert verplappert. Ich hab ihm gesagt, ich hätt dich auffer Scheunenfete gesehen. Tut mir echt Leid«, meinte er und guckte zerknirscht.
Eine Sekunde lang schien sie wirklich erschrocken zu sein, aber dann zuckte sie mit den Schultern und drehte sich weg.
»Ich mein ja bloß«, rief Ackermann ihr nach. »An deiner Stelle wär ich in nächster Zeit vorsichtig. Nich’, dat der hier aufkreuzt un’ dich erwischt.«
Ein Ellbogen wurde ihm in den Rücken gerammt, er taumelte nach vorn und landete auf den Knien. Die Leute spritzen auseinander, jemand brüllte, Mädchen schrien. Ackermann rappelte sich hoch und drehte sich um. Eine Riesenschlägerei war im Gange, zehn, zwölf Jungen droschen aufeinander ein, traten zu. Ackermann machte zwei Gruppen aus, HJ-Frisur auf der einen Seite, Ausländer auf der anderen. Der Kampf war gnadenlos, blutig. Ein Schrank von einem Kerl hatte gerade jemanden zu Boden geschickt und trat mit den Stiefeln nach dessen Kopf. Ackermann stürzte nach vorn, bekam den Hünen am Kragen zu fassen und zog ihn zurück. Der drehte sich zweimal, sodass Ackermann durch die Luft gewirbelt wurde. Nadine war plötzlich bei ihm, klammerte sich an ihm fest. »Papa, nicht! Das ist Kevin!«
»Lass mich los! Der macht den Kleinen alle. Hier! Verstärkung!«
Damit drückte er ihr seinen Funk in die Hand und stürzte wieder vor. Eine Chance hatte er nicht, aber er schaffte es wenigstens, den zierlichen, dunklen Jungen aus dem Getümmel zu ziehen. Er blutete aus mehreren Kopfwunden.
»Wo is’ denn jetz’ der verfluchte Sicherheitsdienst?«, brüllte Ackermann seine Tochter an, die zitternd neben ihm hockte. »Hast du die Jungs gerufen?«
»Ja ...« Aber da hörte er sie schon kommen.
»Die Bullen!« Leute rannten los.
Ackermann half dem Jungen auf die Beine. »Sprichst du Deutsch?«
»Ja.«
»Du muss’ in ’t Krankenhaus. Dat muss genäht werden.«
»Nein.«
»Bis’ du Türke?«
»Kurde!« Der Junge taumelte.
Ackermann hielt ihn fest. »Is’ dir schwindelig?«
»Nein.«
»Wie is’ dat denn gekommen,
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