Ackermann tanzt
wieder versöhnt, auf eine Weise, die ihm ausgesprochen angenehm war. Und am Montag nach dem Fußballtraining hatten sie länger zusammengesessen und über die Kinder gesprochen. Marion fand, er müsse mehr Leine geben und mal darüber nachdenken, wie er sich selbst in dem Alter gefühlt hatte. Es fiel ihm schwer. Und ob die lange Leine wirklich das Richtige war?
Anna – sie mochte verschlossen sein, aufmüpfig und unbequem, aber sie war sicher nicht feige oder falsch. Nein, kein Einkaufsbummel, keine Einladung zur Pizza, am besten, er spielte mit offenen Karten.
Entschlossen wählte er seine eigene Telefonnummer und hatte Glück – Anna war gleich am Apparat.
»Was gibt’s? Mama ist noch nicht da.«
»Ich will ja auch mit dir sprechen. Ich brauche deine Hilfe.«
»Ach du Scheiße!«
»Jetzt dreh nicht gleich wieder am Rad, Mäuschen. Ich will nicht, dass du deine Freunde bei mir verpfeifst oder so einen Quatsch. Ich brauche nur ein paar allgemeine Informationen.«
»In Ordnung, schieß los!«
»Doch nicht am Telefon. Können wir uns nicht irgendwo treffen?«
»Wo denn? Meinst du, ich laufe mit dir durch die Stadt? Wenn mich einer mit Papa sieht, der schmeißt sich doch weg.«
Van Appeldorn musste lachen. »Ich dachte, da stündest du mittlerweile endlich drüber. Aber gut, wenn nicht, dann komm doch ins Büro. Es ist wirklich wichtig. Im Moment komme ich ohne dich nicht weiter.«
Anna schwieg. »Keine Zeit«, sagte sie dann. »Muss noch mit Carmen für die Mathearbeit morgen pauken.«
Verdammt, dachte van Appeldorn. Womit hatte er denn jetzt wieder alles vermasselt? Wieso machte sie auf einmal alle Schotten dicht?
»Na gut, aber ein paar Minuten hast du doch noch, oder? Dann machen wir es eben am Telefon.«
»Wenn es unbedingt sein muss ...«
Er sammelt seine offenen Karten wieder ein und fragte sie nur, wo denn die Jugendlichen so hingingen, außer auf Scheunenfeste, welches Jugendheim im Moment angesagt war. Sie ließ sich die Würmer einzeln aus der Nase ziehen und er hatte große Mühe, nicht in seinen bösesten Vernehmungston zu fallen.
Als er auflegte, hatte er bohrende Kopfschmerzen und eine magere Ausbeute auf seinem Zettel: World Center (freitags; viele Bärchen), Materborner Jugendheim (gut), Effa (= evang. Jugendheim; öde) , Radhaus, Whisky Saloon, Fellinis, Le Journal (alles nicht so doll, weiß nicht).
17
Auch Ackermann hatte nach einem langen Telefonat mit seiner Tochter das Jugendheim in Materborn ganz oben auf seiner Liste und so machten sie sich am späten Nachmittag auf den Weg.
»Komm, wir nehmen mein Auto, Norbert.« Van Appeldorn war aus irgendeinem Grund mal wieder muffelig, möglicherweise auch sauer, das wusste man nie so genau. Vielleicht ließ er sich aufmuntern.
»Na, wat sachste jetz’?«
Van Appeldorn sagte erst mal gar nichts, sondern guckte nur ein bisschen dümmlich, als Ackermann vor einem blitzenden roten BMW stehen blieb und den Schlüssel ins Türschloss steckte.
»Hast du eine Bank ausgeraubt?«, meinte er schließlich.
»Ach wat! Der is’ gebraucht, sieht bloß aus wie neu. Ich hab den für ’n paar Tage auf Probe. Ein Kumpel von mir arbeitet bei diesem Autofritzen. Ich will endlich ma’ wat anderes fahren als immer die ollen Opels.«
Ackermann hatte die Familienkutschen gründlich satt. Seine Kinder wurden langsam flügge, die Zeiten, in denen er sie alle Mann hoch durch die Gegend hatte fahren müssen, waren vorbei.
Van Appeldorn musste den Beifahrersitz verstellen, um genügend Platz für seine Beine zu haben. »Und was sagt ... die Mutti dazu?«
»Och, die meint, dat is’ immer noch besser wie ’n dickes Motorrad, wat sich die andern all kaufen, wenn se in die Jahre kommen.«
Er ließ den Motor an. »Dat is’ ’n Sound, wa? Also, wie war dat? Du has’ mit dem Jugendheim telefoniert, un’ die Leiterin is’ ’ne Frau?«
Van Appeldorn verzichtete auf die Sprachkorrektur, verzog aber schmerzlich das Gesicht.
»Dat muss ’n ganz schöner Brecher sein, die Tante«, sinnierte Ackermann.
»Und was bringt dich zu dieser Annahme, Josef?«
»Die Nadine sagt, dat Heim wär ’n Treff für die Hauptschüler, un’ da ging et öfters mal richtig rund.«
»Ach was, sagt die Nadine das? Tja, dann ist das ja wohl kaum der richtige Ort für ein braves Mädchen vom Gymnasium. Und der stolze Vater sieht sein Kind dort sicher auch nicht gern.«
»Has’ du den Kopp am bluten, oder wat?« Ackermann trat auf die Bremse. »Wo is’ denn hier die
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