Acqua Mortale
auf dem Gelände, die Hunde gingen auf die Hinterläufe und geiferten.Ein alter Mann kam aus dem Blechhangar. Er trug einen blauen Overall und Gummistiefel. An den Händen Lackspuren.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Mann und beruhigte die Hunde.
»Ich würde Sie gerne kurz sprechen.«
»Worum geht es?« Der Mann öffnete das Tor nicht. Er hatte die harten wettergegerbten Züge eines Fischers. Seine Arme waren sehnig und von knotigen Venen überzogen.
»Ich bin Kaspar Lunau. Ich arbeite für die Witwe von Di Natale.«
Er verzog keine Miene. Der Name schien ihm nichts zu sagen.
»Er war Kunde bei Ihnen.«
Der Mann zuckte mit den Achseln. »Ich kenne keinen Di Natale.«
»Sind Sie Herr Corelli?«
»Ja.«
»Dann müssen Sie ihn kennen. Sie haben vor zwei Jahren einen großen Auftrag für ihn erledigt.«
Lunau reichte die Rechnung durch das Tor. Der Mann warf einen Blick darauf und zog die Mundwinkel nach unten. Er legte den Kopf schräg und sagte: »Kenne ich nicht.«
»Wer macht denn bei Ihnen die Buchhaltung?«
»Mein Bruder.«
»Könnte ich ihn sprechen?«
Der Mann schaute Lunau aus hellblauen Augen an. Er mochte sechzig oder siebzig sein, das war bei den tiefen Furchen und den wilden Bartstoppeln in seinem Gesicht schlecht abzuschätzen.
»Ich habe Ihnen gesagt, wir kennen keinen Di Natale.«
»Sie haben gesagt, Sie kennen keinen Di Natale. Ihren Bruder würde ich gerne selber fragen.«
Signor Corelli zögerte einen Moment und musterte Lunau von oben bis unten. »Giorgio!«, schrie er völlig unvermittelt, ohnesich vom Fleck zu rühren. Die Hunde fingen wieder zu bellen an, und in Lunaus Ohren klingelte es.
»Giorgio!« Die Halsschlagader des Mannes schwoll an und wieder ab. Aus dem Hangar trat ein zweiter Mann, der genauso aussah wie der erste. Er trug den gleichen Overall, war genauso groß, hatte dieselbe moosgrüne Farbe an den Händen, und er hatte die gleiche Physiognomie. Lunau hatte noch nie eineiige Zwillinge im Rentenalter gesehen. Er betrachtete die beiden ungläubig. Die Zeit hatte ihrer Ähnlichkeit nichts anhaben können. Sogar die gräulichen Bartstoppeln waren gleich lang.
»Kennst du einen Vito Di Natale?«
Der Bruder schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie?«
»Ich hatte nicht erwähnt, dass Herr Di Natale Vito heißt.«
Der Mann starrte Lunau einen Moment an. Dann sagte er:
»Es steht auf der Rechnung.«
Die beiden ließen Lunau stehen und gingen zurück in die Halle. Sie redeten erst miteinander, als sie außer Hörweite waren.
Die Alarmanlage bereitete Lunau kein Kopfzerbrechen. Zwar waren an den beiden großen Hallen auffällige gelbe Leuchten, aber sie dienten wohl eher der Abschreckung. An den Zäunen waren keine Stromverbindungen, auch keine Lichtschranken. Auf dem Tor dagegen waren Infrarotsensoren, denn wer eine Yacht klauen wollte, der musste sie zwangsläufig durch das Tor abtransportieren. Das wirkliche Problem waren die Hunde, die frei herumliefen. Lunau hatte den Nachmittag überlegt, wie er sie ausschalten konnte. Er war in den Nachbarort gefahren und hatte in einer Apotheke ein Schlafmittel gekauft. Er hatte erzählt, sein Hund habe Koliken. Die Apothekerin hatte ihm ein homöopathisches Mittel zur Regenerierung der Magen-Darm-Flora verkaufen wollen, aber Lunau hatte sich nicht erweichen lassen.
Lunau hatte zwei Paar Würste besorgt und mit dem Schlafmittel präpariert. Er zischte durch die Zähne, um die Hunde auf sich aufmerksam zu machen. Statt neugierig anzutraben, fingen sie sofort zu bellen an. Nichts zu machen, dachte Lunau, der beste Freund des Menschen gehört nun einmal nicht zu meinem Freundeskreis. Er pfiff, winkte die Hunde heran, und als sich einer gegen den Zaun warf, schleuderte er eine Wurst in hohem Bogen auf die andere Seite. Der Hund kläffte weiter und beschnupperte dann die Wurst. Er schob sie mit der Schnauze hin und her, biss in den Zipfel, trug sie in ein Gebüsch und legte sie dort ab. Ein Greifvogel schrie, Lunau kroch etwas unter die Hose. Er schüttelte das Bein, aber das Kitzeln hörte nicht auf. Er schlug mit der flachen Hand auf den Stoff und spürte etwas Feuchtes an seiner Haut kleben. Weiter geschah nichts.
Man hörte nur die Dünung und das Klingeln der Drahtseile, die der Wind gegen die Aluminiummasten der Yachten schlug. Es roch würzig nach Salz und Tang.
Lunau war sich sicher, dass die Corelli-Brüder etwas zu verbergen hatten. Etwas, das mit Di Natale zusammenhing. Sonst hätten sie ihn nicht belogen. Wenn Di
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