Acqua Mortale
sind so programmiert, dass sie immer zuerst die Kehle attackieren. Wenn sie ihrer Beute die Halsschlagader durchtrennen, dann wird bei dieser sofort die Sauerstoffzufuhr des Gehirns abgeschnitten, und das Opfer ist gelähmt. Einige Sekunden später tot. Aber Lunau traf ein metallischer Gegenstand an der Stirn, sein Hinterkopf schlug gegen die Mauer, und seine Beine gaben nach. Er kriegte einen der Gitterstäbe zu fassen und konnte sich aufrecht halten. Er sah nicht viel, weil Blut in sein linkes Auge lief, aber er erkannte zwei erwachsene Männer. Einer hielt einen Feuerlöscher in der Hand, der andere eine Eisenstange.
Lunau hob beschwichtigend die Hände: »Ich bin kein Einbrecher, ich kann Ihnen alles erklären.«
Der Schlauch des Feuerlöschers wurde auf Lunaus Gesicht gerichtet, der Hebel entriegelt. Einer der Männer bückte sich nach der Taschenlampe, der Strahl blendete Lunau.
Er sah die Eisenstange zu spät, er konnte seine Rippen nicht schützen. Der Schlag nahm ihm die Luft, er ging zu Boden.
»Ich bin Journalist«, japste er.
Noch ein Schlag. Er schirmte seinen Kopf ab und schrie: »Ich bin ein Freund Di Natales.«
Plötzlich herrschte Stille. Die Männer hielten inne. »Haben Sie die Hunde vergiftet?«, fragte der eine. Es war Tommaso Corelli, mit dem Lunau zuerst am Tor gesprochen hatte. Seine Stimme war ein bisschen tiefer als die des Bruders.
»Nur betäubt.«
Sie fesselten ihm die Hände, dann filzte einer der Brüder seine Kleider. Lange und gründlich. Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf.
»Ich habe keine Waffe«, sagte Lunau.
»Schnauze. Hat er Papiere?«, fragte Tommaso seinen Bruder Giorgio.
Dieser nahm die Brieftasche aus der Jacke und leuchtete auf den Personalausweis. »Kaspar Lunau, aus Berlin«, las er vor.
Lunau schaute auf den Feuerlöscher. »Das war Brandstiftung, oder?«, fragte er. Niemand antwortete.
»Im März 2008. Da hat man Ihren Hangar in Schutt und Asche gelegt.«
»Was haben Sie damit zu tun?«
»Nichts. Ich frage mich nur, was verbrannt wurde.«
»Woher kennen Sie Vito?«, fragte Tommaso. Er schien der Anführer zu sein.
»Könnten wir uns vielleicht in die Hütte setzen und reden? Und dann bräuchte ich ein bisschen Eis für meinen Schädel.«
56
Seine Frau saß auf der von Zappaterra bezahlten cremefarbenen Ledercouch, sah in den von ihm bezahlten Plasmabildschirm, stopfte die von ihm bezahlten Erdnussflips in sich hinein und prustete bei jeder noch so abgestandenen Pointe des Showmasters los. Sie hatte gute Laune, Zappaterra zahlte. Das Leitmotiv seiner Frauengeschichten.
Andrea Zappaterra hatte sich vorgenommen, reinen Tisch zu machen. Nicht unbedingt, weil er ein besserer Mensch werden wollte. Vielmehr war er die Anstrengungen leid, die mit Verstellungund Betrug verbunden waren. Mit siebenundvierzig Jahren und fast dreißig Jahren harter Arbeit auf der Habenseite wollte er offen und unverkrampft genießen, was er sich aufgebaut hatte.
»Wir müssen reden«, sagte Zappaterra. Seine Frau starrte auf den Fernseher, setzte kurz mit der Kaubewegung aus. Ihr Haar stand in struwweligen Strähnen ab, es sah ungewaschen und licht aus. Der leichte Buckel vervollkommnete das Bild, das er sich als Kind immer von der Märchenhexe ausgemalt hatte.
»Die Bonusfrage, die Sendung ist gleich vorbei«, sagte sie mampfend.
Er ging um die Couch herum, griff sich die Fernbedienung und drückte auf die rote Taste. Noch ehe das Bild mit einem fast unhörbaren Pfeifton in sich zusammengefallen war, hatte sie das schwarze Plastikkästchen gegriffen und wieder auf die Taste für das zweite Programm gedrückt. Der Quizmaster grinste erneut sein dämliches Grinsen und deutete in gespielter Ekstase auf die Pyramide, deren oberste Diode mit der Aufschrift »100 000 Euro« blinkte.
Zappaterra wollte vor Wut in den Fernseher treten, beherrschte sich aber im letzten Moment angesichts des selbst für seine Verhältnisse unverhältnismäßigen Anschaffungspreises des Geräts. Er zog den Stecker aus der Wand.
»Hast du mich nicht verstanden? Wir müssen miteinander reden.«
»Auf einmal? Nach vierzehn Jahren? Ausgerechnet bei der Bonusfrage?« Ihr Ton war alles andere als defensiv. Sie schaute herausfordernd und gleichzeitig gelangweilt, um ihren Mund spielte so etwas wie Verachtung.
»Ich habe eine andere«, sagte er.
Sie lupfte eine Augenbraue und tat so, als sei sie unbeeindruckt. »Wieso sagst du mir das ausgerechnet jetzt, wenn ich fragen darf ? Hast du dieses
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