Acqua Mortale
Natale in illegale Machenschaften verwickelt war, dann hatten diese mit dem Fluss zu tun. Und dafür hatte er ein Boot gebraucht. Und Partner.
Den Nachmittag hatte Lunau im Internet zu den »Cantieri Corelli« recherchiert. Keine auffälligen Einträge. Bis auf einen Zeitungsbericht zu einem Brand. Im März 2008!
Ein Hund kam angehechelt und stupste mit der Schnauze gegen den Zaun. Lunau nahm die zweite Wurst und warf sie hinüber. Der Hund nahm sie zwischen die Zähne, schleuderte sie herum und schluckte sie unzerkaut hinunter. Das Tier trabte davon, und Lunau war nicht sicher, ob es dasselbe wie eben war. Er hatte das Gewicht der Hunde auf je zwanzig Kilo veranschlagt und jede Wurst mit einer entsprechenden Dosis präpariert. Wenneiner der Hunde alle Würste fraß, war er tot. Und der andere blieb wachsam und bissig.
Lunau pfiff durch die Zähne. Wieder kam ein Tier angetrabt. Das Schlafmittel schien bei ihm keine Wirkung zu zeitigen. Vielmehr kläffte es, lockte damit seinen Partner an, und dieser stimmte mit ein. Lunau sah sich um. Auf dem Wasser war alles still, die Landzunge war verlassen, aber die nächsten Wohnhäuser waren nur etwa hundert Meter entfernt. Lunau schob sich rückwärts durchs Schilf, bis er knietief im Wasser stand. Er wartete, bis die Hunde sich beruhigt hatten. Aber als er nachsehen wollte, waren die Tiere verschwunden. Er ging auf den Zaun zu und wollte gerade hochklettern, als die Köter erneut anschlugen. Allerdings klang ihr Bellen lustlos und heiser. Sie lagen am Tor eines Hangars, hoben nur den Kopf und schauten in Lunaus Richtung.
Lunau wartete noch eine Viertelstunde und arbeitete sich am Ufer bis zum offenen Meer vor. Er kletterte über den Eisenzaun und marschierte zwischen den Bootsrümpfen umher, die im Mondlicht wie riesige Delphine schimmerten. Das Gelände war etwa zwei Hektar groß. Die drei Hallen standen in T-Formation, stammten aber aus unterschiedlichen Bauperioden. Die älteste, aus Backstein und Holz, war ausgebrannt. Daneben war eine kleine Baracke, die vermutlich als Büro diente. Auf dem Areal wurden Segelyachten, Holzboote und große Kutter überwintert. Die beiden intakten Hallen waren verschlossen. Große Rolltore, an denen Ketten mit Vorhängeschlössern hingen.
Der ausgebrannte Hangar zeichnete sich wie eine zerbombte Ruine vor dem Nachthimmel ab. In dem offenen, rechteckigen Innenraum türmten sich Schuttberge, aus denen verkohlte Balken und Eisenträger ragten. Das Dach war eingestürzt und hatte Holzböcke, Planken und anderes Material unter sich begraben. Das meiste verkohlt, hin und wieder ein Werkzeug aus Metall. Ein bestimmter Bereich war aufgeräumt. Der Boden war vonSchutt befreit und gesäubert, so als hätte jemand nach dem Brand gezielt nach etwas gesucht. Der Erdboden war glatt, man konnte kein Muster, keine Abdrücke erkennen. Was hatte hier gelagert? Warum der Brand? Ein Zufall? Einer der vielen Zufälle, die sich zwischen März und April 2008 ereigneten? Oder hatte man etwas verdecken wollen? Lunau wühlte in den Schutthaufen herum, fand eine zerbeulte Taschenuhr, eine Schutzbrille, ein Kofferradio und ein Sägeblatt, dessen Griff verbrannt war. Das war alles, alles ohne Aussagekraft. Allerdings war auf dem Boden ein merkwürdiges Muster zu sehen. Zwei konzentrische Kreise, der innere mit einem Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern, der äußere von knapp zwei Metern. Der Zwischenraum zwischen den Kreisen war frei von Ruß.
Die beiden unversehrten Hallen hatten lange Reihen von Oberlichtern, darunter waren kleine Fenster. Lunau kletterte auf einen Holzbock und leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein. In dem vorderen Hangar, der gerade auf das Tor zulief, standen zwei Fischkutter. Der Rumpf des einen war zur Hälfte mit Schutzlack versehen: moosgrün. Daran arbeiteten die Corelli-Brüder wohl gerade.
Lunau ging an den hinteren Hangar, der sich im rechten Winkel an den vorderen anschloss. Er schien außer Betrieb. Die Fenster waren mit Pappe verklebt, die Zufahrt mit Unkraut überwuchert. Seit Jahren war hier kein Trailer mehr entlanggefahren. Lunau ließ den Strahl der Taschenlampe an der Fassade entlanggleiten. Nichts Auffälliges. Er ging zur Bürobaracke und leuchtete durch das Fenster hinein. Zwei Räume, im vorderen ein Tisch und drei Stühle, im hinteren ein Schreibtisch und Aktenschränke. Man konnte den Staub selbst im Licht der Taschenlampe sehen. Lunau zögerte einen Moment. Dann wickelte er einen Lumpen um den Griff der
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