AD ASTRA Buchausgabe 008 Der Schattenstern I
Podest, um das sich bis hin zu den Wänden steinerne Sitzreihen zogen. Die meisten dieser Bänke waren bereits besetzt, doch Santa Bosz und Milk von T’t’ovia fanden noch zwei Plätze im hinteren Drittel eines Segmentes.
„Was passiert jetzt?“ fragte Bosz flüsternd seinen jungen Begleiter.
„Jetzt kommt gleich der Flammenpriester! Einmal in jedem Meso-Zyklus verlässt er seine Heimat, um mit uns das Große Ritual zu zelebrieren! Er ist es auch, der unsere Inflammierung durchführen wird!“
„Weiß man denn, wo sich die Heimat des Flammenpriesters befindet?“
„Der Flammenpriester lebt eigentlich im Auge der Flammen! Ich weiß, dass das total krass klingt, und mein Vater spricht nur in den höchsten Tönen davon! Aber eigentlich ist dieses Auge der Flammen nur eine Raumstation im Orbit des Sternes Bialis! Dort wohnt auch der Flammengott!“
Bosz hörte aus den Worten Milks heraus, dass dieser selbst keineswegs die fanatische Besessenheit seines Vaters teilte; vermutlich war er nur hier, weil Olk von T’t’ovia dies wünschte. Nun hatte er in seiner kindlichen Naivität dem Kapitän einige entscheidende Informationen gegeben.
Urplötzlich brach das dumpfe Dröhnen ab, und schlagartig breitete sich Schweigen in der Halle aus; alle Anwesenden sanken kollektiv auf die Knie, und Bosz tat es ihnen gleich. Einige Sekunden vergingen, dann schien es, es explodiere mitten in der Halle eine Bombe: Flammen züngelten wie aus dem Nichts, die Hitze stieg an, Explosionen krachten, doch der Kapitän erkannte sofort, dass es sich dabei um eine Inszenierung handelte. Dort wo das Podest stand, entwickelte sich ein gleißender Feuerball, und als dieser sich nach einem kurzen Moment aufzulösen begann, konnte man eine in ein rotes Gewand gehüllte Gestalt sehen, bei welcher es sich zweifelsohne um den erwähnten Flammenpriester von Terabial handelte.
Das erstaunlichste an dieser Person war, dass Santa Bosz sie kannte, doch wenngleich ihm sofort klar wurde, dass er das Gesicht schon gesehen hatte, benötigte er einige Augenblicke, um sich an die Identität des alten, schmalen Mannes mit den grauen Haaren und dem markanten Gesicht zu erinnern. Doch als dies endlich geschah, musste er sich eingestehen, dass diese Erkenntnis nicht verwunderlich war – man hätte aufgrund der Involvierung des Kaisers Ardobal von Xernico ähnliches vermuten können.
Die Person, welche in dem Feuerring stand und sich als Flammenpriester der Cahaizo auszeichnete, war Irc von Motavien – seinerzeit Hohepriester der Kathedrale der Ewigkeit und zusammen mit Ardobal vom Thron des Imperiums gestoßen.
*
Pox musste auf seinen Partner mehr als zwei Stunden warten, dann sah er ihn gemeinsam mit den übrigen Novizen ihres Lagers den Flur entlangkommen. Die beiden Frauen, das Zwitterwesen und auch der Mann gingen wortlos an ihm vorbei in den Raum, Bosz und der Junge blieben jedoch bei ihm stehen.
„Mann, der Roboter ist aber ganz schön alt!“ stellte Milk mit sichtlicher Beeindruckung fest.
„Das ist Neun, ich habe ihn schon ganz lange!“ entgegnete der Spion. „Ist es nicht so, Neun?“
„So ist es!“ bestätigte Pox. „Darf ich fragen, wie das Ritual war?“
„Sehr lange und sehr intensiv!“ antwortete Santa Bosz mit einem für den Emotions-Analysator deutlich erkennbaren ironischen Unterton. „Viele Phrasen, die wir zu wiederholen hatten! Wenige Informationen!“
Der Kapitän hoffte, dass die letzte Bemerkung nicht die Skepsis des Jungen erregte, dennoch reagierte Milk darauf.
„Informationen werden Sie in den Ritualen nicht erhalten! Mein Vater glaubt zwar daran, dass man in ihnen Erkenntnis und Weisheit erringt, aber ich habe noch nichts dergleichen erfahren! Wenn Sie etwas wissen wollen, müssten Sie sich schon im Archiv umsehen, aber das ist leider verboten!“
„Was ist das für ein Archiv?“ wollte Bosz wissen.
„Das ist ein großer Raum voller Terminals, und dahinter sind die Speicherbänke! Es enthält alle Informationen über die Cahaizo und die Galaxis, welche die Geretteten angesammelt haben! Ich weiß davon, weil wir hin und wieder dort kleinere Lerneinheiten, natürlich unter Beobachtung der Priester, erhalten haben. Ansonsten ist nur den Flammenpriestern der Zutritt gestattet!“
„Woher weißt Du denn, wie es in dem Archiv aussieht?“ fragte der Spion nach. Milks Gesichtsfarbe änderte sich um eine Nuance, und in seine Augen trat ein schuldbewusster Glanz. Er blickte rasch zur Seite und flüsterte:
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