Ada liebt
wurde
dünner und selbst meine Blässe ließ sich noch steigern.
Mein kleines Blassgesicht, hatte Bo
mich immer genannt, und jetzt würde er sicher sagen, meine kleine Wasserleiche.
Ich hatte eine Entscheidung getroffen, die gut war und richtig und vernünftig,
und jetzt stürzte ich mich in meine Arbeit und verließ die Stadt nicht mehr.
Meine Eltern hatten dafür Verständnis,
schließlich ging es um die Karriere einer jungen Forscherin. Bei Bo meldete ich
mich nicht, auch wenn ich mich häufig dabei ertappte, wie ich den
Telefonstecker zog und wieder hineinsteckte und den Hörer anhob, nur um zu
prüfen, ob es funktionierte. Manchmal saß ich nur da und starrte es an, bis es
flimmerte vor den Augen, und hinterher ärgerte ich mich über die totgeschlagene
Zeit.
Einmal wählte ich Bos Nummer, ohne den
Hörer abzuheben, und in dem Moment klingelte es. Es war Bo, und ich ging nicht
ran, mein Herz raste, und ich bewegte mich nicht, denn ich befürchtete, dass
ich zerspringen würde.
Seine Stimme hören, dachte ich, und
ich legte die Hand auf den Hörer. Weiterleben, sagte eine andere Stimme, und da
hörte das Klingeln auf und ich zog den Stecker endgültig, denn ich wusste, dass
Bo nicht mehr anrufen würde.
Alles war besser. Die Nächte waren
weniger dunkel und meine Füße hatten aufgehört zu jucken, das war doch gut so.
Ich richtete mich wieder ein in meinem mir fremd gewordenen Zuhause.
Es ging gut voran, meine Wände füllten
sich wieder, die alten Gewohnheiten kehrten zurück und bald war wieder alles an
seinem Platz. Die wirren Gedanken verschwanden irgendwo in den Windungen meines
Gehirns, vielleicht gingen sie auch über in mein täglich weniger kochendes
Blut, und wenn alles gut lief, wurden sie mit der Pizza quattro stagioni
ordnungsgemäß ausgeschieden an irgendeinem Morgen, der wie alle war.
In dieser Zeit ertappte ich mich dabei,
wie ich ebenso manisch in die Tasten haute wie Wolff, und er tat mir leid, und
das, obwohl ich Wolff nicht mochte.
Neuerdings riss er die Fenster
sperrangelweit auf in unserem Arbeitszimmer. Kühle Luft strömte herein und ich
merkte, wie sich die Härchen auf meinen Armen und in meinem Nacken
aufrichteten. Sie taten das auch unter Bos Händen und ich sah Wolff an, aber da
würde es keine Stromschläge geben, auch nicht an den Füßen.
Ich fragte mich, ob Wolff
Hitzewallungen hatte. Ich kannte so etwas von Tante Rosi, die es ganz plötzlich
überkam, wie sie es nannte, wenn sie zwischen uns saß und feuerrot wurde im
Gesicht und von einer Brötchenlänge zur anderen ganz nass wurde. Sie sprang
dann auf und sperrte alle Fenster auf, und wir bekamen eine Gänsehaut. So war
es auch mit Wolff.
Es wird kalt, sagte ich zu Wolff und
er senkte den Kopf und fragte, ja, und? In diesem Moment betrat Professor
Röslein das Zimmer und meine Notizen wehten ihm fröhlich entgegen, die
kopierten Aufsätze wild durcheinander, und ich ärgerte mich, dass ich kein
Ablagesystem hatte, und ich wollte Wolff und seine Wallungen töten.
Professor Röslein hatte sich
verändert. Er sprach kaum und saß tagelang an seinem Schreibtisch hinter
riesigen Papierbergen und unterstrich Passagen in Texten. Er ließ sich von mir
mehrmals die gleichen Artikel kopieren und markierte in ihnen verschiedene
Stellen, die Wolff zusammenfassen sollte.
Ich lieh in seinem Auftrag Berge von
Büchern aus der Bibliothek, und er steckte gelbe Zettel hinein, auf die er
Schlagwörter schrieb, die mit dem Inhalt des Buches in keinerlei Zusammenhang
standen.
Archivieren Sie das, Ada, sagte er und
drückte mir die Bücher in die Hand. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, denn
es ergab keinen Sinn, und so nahm ich die Zettel und klebte sie in
alphabetischer Reihenfolge auf ein DIN-A4-Blatt und legte es ihm immer vier
Tage später auf den Schreibtisch. Die Frist erschien mir genau richtig, denn
dann erinnerte er sich vermutlich weder an den Auftrag noch an die Lektüre.
Meine Strategie ging auf, oder
Professor Röslein ging unter, ich machte mir über ihn keine Gedanken, ich
dachte an Bo und daran, dass ich an ihn nicht denken wollte, und am Abend ging
ich in die Oper und steckte den Kopf in das Begleitheft, wenn einer kam und
mich ansprach.
Ich bevorzugte die schweren,
tragischen Opern. Eine Operette würde ich mir im Leben nicht ansehen, schon Nussknacker und Mausekönig war ein Kompromiss und eigentlich nur zu Weihnachten schön, aber es lief
zurzeit nichts anderes, und so saß ich auf meinem Platz und dachte,
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