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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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dass es bei
Bo sicherlich genau umgekehrt war, er würde die leichten Opern mögen, die
Operetten sogar, so war es ja immer, und während ich daran dachte, nicht an Bo
zu denken, hörte ich bei den tiefen Tönen auf einmal eine Kuh.
    Manchmal saß ich im Kino und dachte
daran, dass das mit Bo nicht ging, und wieder fühlte ich, wie richtig meine
Entscheidung doch war, denn im Kino gab es weder Plätze für Schweine noch für
Kühe, und deshalb war auch das Kino eine landwirtfreie Zone. Ich lehnte mich zurück
in meinem weichen, roten Sessel und fühlte mich weltmännisch, und auf den
leeren Sessel neben mir legte ich meinen Mantel und eine Tüte Popcorn.
    Am Sonntag kaufte ich vier Brötchen
weniger und musste auch diese glibberige Leberwurst mit den dicken lila Stücken
drin nicht auf dem Küchentisch ertragen, und während ich mir
Holunder-Cassis-Gelee auf mein Brot schmierte, wie das Intellektuelle eben so
tun, vermisste ich die detaillierten Ausführungen über den Besamungsvorgang
einer Kuh überhaupt nicht.
    Ich las den Kulturteil der Zeitung
trotzig zwei Mal, denn es gab keine Vorlesung aus Der
Landwirt , und als die Kirchturmuhr elf Mal
anschlug, dachte ich an den Friedhof und die nummerierten Wege und daran, dass
es dort keine Schaufeln gab, und ich dachte an Bo, wie er in der Sonne stand
und sein Haar golden glänzte in Nummer zweiundzwanzig. Ich war froh, dass an
diesem Sonntag und auch an allen Sonntagen, die noch kommen würden, keine
Beerdigung auf meinem Programm stand.
    Abends legte ich mich in meine weiße
Badewanne und Lavendelgeruch durchzog meine Wohnung. Besser als Stall, sagte
ich mir, und ich richtete es mir gemütlich ein in meiner vor emotionalen
Erdbeben gesicherten Welt.
    Wenn ich mit Professor Röslein
über meine Arbeit sprechen wollte, wusste er meistens nicht, welche Arbeit. Er
sagte nur, Ada, kopieren Sie das bitte, und dann drehte er seinen Kopf weg und
versank in seinen Notizen.
    Jetzt stand er mitten in unserem
Zimmer und hielt die Tür geöffnet, sodass es schien, als stünde er in einem
Schneegestöber aus Papier. Mittlerweile wehten auch Wolffs Aufzeichnungen und
Kopien durch den Raum, so als wollten sie Professor Röslein persönlich
empfangen und ihm zurufen, schau her, großer Meister, hier feixt die
Wissenschaft, hier arbeitet ein schwitzendes Superhirn, hier wird gehämmert!
    Aber es blieb still und nach einer
unangenehm langen und windigen Pause fragte Professor Röslein, wie läuft es.
Wolff hob den Kopf und ich sagte, schließen Sie die Tür, bitte, und Professor
Röslein machte einen Schritt zur Seite, als wollte er jemanden hereinlassen,
die offene Tür hielt er jedoch fest in der Hand.
    Was machen die Frauen, fragte er und
ich sagte, es geht voran. Gut so, erwiderte er, und er wandte sich Wolff zu mit
den Worten, und die Maschinen. Wolff sagte, die laufen, und Professor Röslein
nickte zufrieden und verließ unser Zimmer.
    Im Türrahmen drehte er sich noch
einmal um und sagte, ihr macht das schon, ihr Blassgesichter. Er lachte laut
und heiser auf und trottete zurück in sein Zimmer.
    Die gewohnte Stille kehrte in den Raum
zurück, und ich dachte an den Moment, als bei Bo die Kühe und Schweine
schliefen, und wir schliefen nicht. Wir hielten uns an den Händen und unsere
Füße hatten sich berührt in dieser Nacht, und es hatte keine elektrischen Stöße
gegeben, und das, obwohl irgendwie alles voller Elektrizität war.
    Ich hatte geweint, als Bos Hände mich
vorsichtig berührten, und er hatte gefragt, warum weinst du, mein kleines
Blassgesicht, und ich wusste es nicht. Ich schüttelte den Kopf und sagte, ich
weine gar nicht, ich habe nur zu viel Wasser im Auge, und Bo küsste mich und
sagte, aus dir strömt das Meer.
    Meine Lippen berührten Bo, und seine
Poren öffneten sich weit und verströmten diesen Geruch. Ich wollte
hineinkriechen in Bo, mich zusammenkauern in seiner Pore und da bleiben, bei
Bo, für immer, und ich sagte, Bo, aber es kam nur ein Krächzen und er sagte,
ich weiß. In dieser Nacht hatte ich nicht daran gedacht, dass es Bos Schweine
auch mit Schwimmwesten nicht durch das Meer schaffen würden.
    Was war das, fragte ich Wolff, während
wir auf allen vieren unter seinem Schreibtisch hockten und uns den Folgen der
Verwüstung widmeten. Wolff zog die Schultern nach oben und sah mich an. Er
hatte ein blaues und ein braunes Auge, das war mir vorher nie aufgefallen, weil
Wolff mich nie ansah, und ich fragte mich, ob Wolff ein Autist war.

19
    Vor drei

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