Ada liebt
und auch an Bo dachte ich nicht an
diesem Morgen. Trotzdem verloren sich meine Gedanken ständig in den grauen
Himmel, schon den ganzen Vormittag saß ich vor dem flackernden Bildschirm, und
die einzige Taste, die ich betätigte, war die Escape-Taste, um den
automatischen Bildschirmschoner zu deaktivieren.
Kleine Schweine rasten über den
Bildschirm, wenn die Pause zu lang war. Bo hatte sie mir per E-Mail geschickt
und an diesem Morgen rannten sie in regelmäßigen Abständen durch das Grau
meiner stagnierenden Gedanken. Nach zwei Minuten fingen sie laut an zu grunzen
und im Hintergrund stimmten Kühe ein in ihr Geschrei; als ich es merkte,
blickte Wolff mich an und in seinen Augen stand eine Mischung aus Verachtung
und Besorgnis.
Es sind bloß Schweine, sagte ich und
er sagte, und Kühe, dann haute er wieder in die Tasten und ich dachte, dass
Menschen wie Wolff keinen Bildschirmschoner brauchten. Wolff, sagte ich, was
ich geschrieben habe, meine Theorie und meine Thesen, das alles macht keinen
Sinn. Wolff blickte kurz auf. Aha, sagte er, und nun. Es ist falsch, sagte ich
und rollte die vielen Textseiten auf dem Monitor auf und ab. Kein Wort davon
stimmte mehr. Dann mach es anders, sagte Wolff und er senkte den Kopf und
wieder hauten seine Finger auf den Rechner, was wie ein altes Spiel klang, bei
dem Kinder einen Holzkreisel mit kleinen Stöckchen antrieben.
Mach es anders, dachte ich. Es ging
nicht anders, es hatte nie ein Anders gegeben, nicht gestern, nicht vor hundert
Jahren, und würde es morgen plötzlich eines geben, wäre alles durcheinander,
nicht nur meine Arbeit, nicht nur die Frauen aus England.
Die Frauen aus England hatten eine
Bedeutung, sie lebten nicht für sich, sie lebten für andere, ihre Ehemänner,
ihre Mütter, für die kleinen unwichtigen Dinge, die sie verrichteten und durch
die sie sich wahrnehmen und als lebendig erleben konnten. Ich lebte für niemanden,
nicht einmal für mich selbst. Wie ins All geschossen, existierte ich vor mich
hin, klammerte mich an meine Arbeit, die getragen wurde von einem verrückten
Professor und von Wolff, der zwei verschiedene Augen hatte, die mich nie
ansahen.
Bo hatte sich unaufgefordert in meine
Flugbahn gestellt und die Frauen aus England zum Schweigen gebracht. Siehst du
denn nicht, wie bedeutungslos das alles ist, stand in seinem Gesicht
geschrieben, das von der Sonne gebräunt war, und er füllte das Loch, das er
gerissen hatte, mit etwas anderem, mit Luft, mit Sehnsucht und mit einem Teil
von ihm, der ausschließlich mir galt. Er zeigte mir, aus wie wenig mein Leben
bestand und wie brüchig es war und wie viel er von mir hielt, auch ohne meine
Frauen aus England.
Mein Wert stieg in Bo und durch Bo,
und ich wollte ihm etwas davon zurückgeben, aber Bo stellte seinen Wert nie in
Frage und für Bo bestand meine Aufgabe einfach nur darin, bei ihm zu sein. Du
und deine kleinen Hände, ihr gehört doch hierher, hatte er zu mir gesagt.
In diesem Moment erkannte ich, dass es
heute nicht anders war als früher, dass wir noch immer so lebten wie die Frauen
aus England, und dass es nicht falsch war und nicht richtig. Denn wir fühlten
uns nicht wegen Menschen wie Bo leer, sondern dadurch, dass wir nach ihnen
suchten und dass es uns unmöglich geworden war, mit ihnen zu leben, selbst wenn
wir sie fanden.
Du bist eine Suchende, Ada, hatte Bo
zu mir gesagt, und ich hatte gelacht und an Ostern gedacht und gefragt, und was
suchst du? Ich suche nicht, ich finde, hatte Bo geantwortet, und mein
traurigster Fund bist du.
Ich fuhr den Rechner herunter und sah
Wolff an. Die Stöckchen schlugen gegen den Kreisel und ich konnte mir Wolff als
Kind nicht vorstellen, vielleicht war er nie eines gewesen. Wie immer blickte
er nicht ein einziges Mal auf, und während mein Monitor dunkler wurde, sagte
ich, es sollte eine historische Arbeit werden, aber es ist doch heute noch
immer so.
Wolff sah an mir vorbei und sagte in
das Fenster hinter mir, so ist es immer, es ändert sich nichts mehr, und ich
sagte, Wolff, hast du mir zugehört.
Nein, sagte Wolff in die Scheibe, die
beschlagen war von dem Nebel draußen und der schlechten Luft drinnen. Ich
sammelte meine Notizen vom Tisch ein, steckte ein paar Bücher in meine Tasche,
knallte ihm ein dickes Buch über ökologischen Ackerbau auf den Tisch, dass es
krachte, und verließ unser Arbeitszimmer.
Auf dem Weg nach Hause dachte ich über
meine Arbeit nach und darüber, dass ich sie nie in Frage gestellt hatte. Jetzt
kam mir
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