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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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Ich brauchte ihn nicht,
um an den Wochenenden auf den Friedhof zu gehen, im Gegenteil, ich brauchte
auch den Friedhof nicht. Ich brauchte Bo eigentlich auch nicht, um ein Leben zu
haben, was auch immer das genau bedeuten mochte. Ich brauchte Bo überhaupt
nicht.
    Ich stand Bo in der Küche gegenüber,
als ich merkte, dass ich ihn nicht brauchte, und er wartete geduldig auf eine
Antwort. Ich brauche dich nicht, sagte ich. Bo lächelte matt und sagte, ich
weiß, aber es wird sich nie jemand an dein Leben erinnern, wenn das so weitergeht.
Er sah mich an und ich wusste nicht, was das sollte. Warum, sagte ich und er
flüsterte, weil du in deinem Leben keine Zeugen zulässt.
    Ich brauche keine Zeugen, sagte ich
und Bo sagte, Ada, wenn ich nur wüsste, wann du dir so abhandengekommen bist. Das
Leben ist doch kein Gericht, sagte ich und starrte auf meine Füße. Wir standen
uns gegenüber und sagten nichts weiter. Bo hatte seine Hände in die Taschen
seines schmutzigen Stalloveralls gesteckt und lehnte an der Spüle.
    Ich spürte, dass er mich ansah. Ich
konzentrierte meinen Blick auf eine große, schwarze Fliege auf dem Fußboden und
sagte, starr nicht so, du Bauer, da flüsterte Bo, erlaubst du mir, dass ich
dich weiterhin ein bisschen liebe, so auf meine ländliche Art. Keine Zeugen,
dachte ich und ich sagte, anders haben wir es ja nicht hinbekommen. Ich ging zu
Bo und legte meine Arme um seinen Nacken und sog tief seinen Duft ein.
    In diesem Augenblick wurde mir klar,
wie klug Bo war, und dass seine Klugheit eine andere war als meine. Bo hatte
sein Wissen aus dem Leben und irgendwie auch aus dem Herzen. Ich hatte meines
aus Büchern und es konnte doch nicht gut gehen mit uns, und während mir sein
Geruch in die Nase stieg, flüsterte ich Bo ins Ohr, du bist so dumm, Bo, und er
lachte und flüsterte zurück, und du erst, Ada.

27
    Es werden zwei, sagte
Elisabet und Bo lachte und schob ihr eine weitere Tasse Tee über den Tisch. Ist
doch super, sagte er und mir stand vor Schreck der Mund offen. Hoffentlich hat
sich Leo nicht geklont, sagte ich und Elisabet sagte, daran habe ich auch schon
gedacht. Ich brauche einen Stallhelfer, sagte Bo, damit ich hin und wieder in
der Oper mein Schlafdefizit ausgleichen kann. Richte deine Kinder doch früh ab
dafür, dann sind sie beschäftigt.
    Elisabet lachte und ich stellte mir
zwei Miniatur-Leos vor, die durch Bos Stall rannten und Siegfried fragten, bist
du Arzt, promovierter Arzt, und als ich Elisabet ansah, bemerkte ich, dass sie
weinte. Wie soll ich das schaffen, sagte sie. Leo ist doch nie zu Hause. Wir
sind doch auch noch da, sagte Bo und setzte sich zu Elisabet und nahm sie in
den Arm. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und weinte noch mehr.
    Wir helfen dir, ich bin eine
Supermama, hab schon aus so manchem Ferkel ein recht ordentliches Schwein
gemacht, sagte Bo und Elisabet lachte in ihre Tränen und er sagte, zum Glück
haben sie keine Gene von Ada. Elisabet lachte noch mehr und flüsterte mit
erstickter Stimme, dann würden sie Bücher essen und abgelaufene Dosen, und Bo
flüsterte zurück, und sie würden nachts heimlich Zahnpasta in meine Vorhänge
schmieren. Ich wurde rot, denn ich wusste nicht, dass er es bemerkt hatte.
    Ich beneidete Bo in Momenten wie
diesen um sein Feingefühl und um die richtigen Worte, die wie
selbstverständlich aus seinem Mund kamen. Ich verstand die Lage, konnte mich in
Elisabet hineinfühlen, ihren Schmerz spüren und ihre Angst. Sagen konnte ich
ihr aber nichts, was denn auch, ich glaubte nicht daran, dass es gut wurde, und
ich wusste, dass auch Bo nicht daran glaubte, aber er sagte es ihr nicht, und
ich wusste, dass das richtig war.
    Bo war selbstverständlich, er kam
aus den Feldern, er war richtig und hatte seinen Platz in seinem Leben und
immer mehr auch in meinem, und er vereinnahmte mich mit dieser
Selbstverständlichkeit, vor der ich mich nicht schützen konnte, und das stand
Bo nicht zu, aber wie sollte ich ihm das sagen.
    Mein Wesen hatte ich mir von anderen
aus Büchern geliehen. Es stand in keinerlei Verbindung zu mir und berührte auch
sonst niemanden. Es ließ sich ausdrücken in guten Zensuren, es spiegelte sich
in den neidischen Gesichtern der anderen, denen es unmöglich wurde, mit mir
befreundet zu sein, und es ging niemandem ins Herz. Ich fragte mich, ob ich
selbst jemanden berühren konnte, ob jemandem etwas fehlte, wenn ich nicht mehr
wäre, und ob dann etwas von mir bliebe.
    Die Frauen aus England, dachte ich,
mit ihren

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