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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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Hut, ist das ein Erntedankhut, und die Frau reckte die Nase
nach vorn und starrte auf die Bühne.
    Warum tust du das, sagte ich und Bo
sagte, sie hat doch angefangen. Du hast geschnarcht und gegrunzt, sagte ich und
Bo sagte, davon habe ich nichts gehört. Es gefällt dir nicht, flüsterte ich und
Bo sagte, ich bin um fünf Uhr aufgestanden, der Besamungstechniker war da und
ich hatte einen Rohrbruch im Schweinestall. Bevor ich losgefahren bin, musste
der elektrische Weidezaun noch repariert werden und der Stallhelfer ist ein
Alkoholiker. Ada, ich bin vier Stunden hierhergefahren und meine Augen wollten
einfach nur zu sein für einen Moment. Sie haben sich den falschen Moment
ausgesucht, sagte ich, stand auf und ließ Bo zwischen seinem Weidezaun und dem
Rohrbruch in der Oper sitzen.
    Als ich meine Wohnung erreichte, stand
ein riesengroßes schmutziges Auto direkt vor der Haustür und ein gelber
Strafzettel klebte hinter dem rechten Scheibenwischer. Da passen vier Kühe
rein, hatte Bo gesagt und jetzt hatte er es hier in meinem Leben geparkt, ohne
Kühe, mitten im Halteverbot.
    Bo war nicht hier. Ich ging um das
Auto herum und berührte die Griffe seiner Türen und ich wusste, dass Bo nicht
mehr in meine Stadt kommen würde. Wir mussten uns jetzt entscheiden und
vielleicht war die Entscheidung schon gefallen, im ersten Akt, durch die Blicke
der Frau in der Bankreihe vor uns.
    Es ging nicht mit Bo und es ging auch
nicht ohne Bo. Ich wartete die ganze Nacht darauf, dass Bo vielleicht doch noch
kommen würde. In meinen Kissen war sein Geruch und ich legte meine Nase hinein,
aber Bo war nicht mehr da. Er sollte kommen, mit einer Lösung, einer Zukunft,
einer Idee wenigstens für den nächsten Tag.
    Aber er war noch am Abend wieder
zurückgefahren und als es schon hell wurde, griff ich zum Telefon und rief Bo
an. Was willst du, sagte er müde in den Hörer. Du bist nicht mehr
zurückgekommen, sagte ich und Bo sagte, nein. Ich sagte, was machen wir jetzt,
und Bo sagte, ich muss melken, und du. Ich sagte, ich nehme den nächsten Zug.
Der wird dich auch nicht in mein Leben bringen, sagte Bo und ich sagte, nein,
aber zu dir und dann bin ich nicht mehr so blass. Bo lachte matt und sagte, bei
mir ist das umgekehrt. Ich habe bei dir alle Farbe verloren. Bo, sagte ich und
Bo sagte, bis später, Ada.
    Als ich bei Bo ankam, dröhnte mir La Traviata entgegen. Die
Oper war ohrenbetäubend laut und kam aus dem Kuhstall und ich fragte mich, ob
die Kühe keinen Hörsturz bekamen. Bo stand mit einer Heugabel im Stall und
schaufelte Mist im Takt, und die Stimmen aus dem Lautsprecher waren so laut,
dass er keine Geräusche machte.
    Hallo, formten Bos Lippen. Ich
lächelte ihn an und er sagte, die Oper ist zu mir gekommen, nett, was? Er
strahlte und sagte, hier höre ich sie, stelle mir vor, wie du neben mir sitzt
und meine Hand streichelst und wie eine Frau mit Erntedankfesthut im Wassertrog
sitzt und mich böse ansieht, während ich schlafe, und ganz nebenbei kann ich
den Stall sauber machen.
    Wo hast du die her, fragte ich und Bo
sagte, einen Plattenladen gibt es sogar im Leben eines Bauern. Er kam auf mich
zu und küsste mich, und er sang die Oper mit auf Italienisch oder dem, was er
dafür hielt, falsch, schief und laut. Er ließ die Heugabel fallen, umfasste
meine Hüfte und begann, mit mir im Stall zu tanzen. Atemlos drückte er mich in
die Futterkrippe und als er sich dazulegte, machte das Silo unter mir
knirschende Geräusche.
    Ada, sagte Bo später, ich brauche das
nicht. Diese aufgeputzten Leute und Frauen mit Hüten vor mir und dieses
Geradesitzen und ein Fernglas vor die Augen halten. Ich brauche Siegfried und
die Angst vor Euterentzündung und Klauenseuche, und manchmal am Abend, da
brauche ich ein kleines bisschen auch dich und dein kulturelles Genörgel.
    Ich brauche keine Schweine, sagte ich
und Bo sagte, ich bin kein Schwein. Was für ein Glück, sagte ich und er fragte,
brauchst du mich, Ada, und ich sagte, was heißt brauchen.
    Ich dachte daran, dass ich nie
jemanden gebraucht hatte, und dass mir auch nie jemand gefehlt hatte, und Bo
sollte das nicht ändern. Ich sagte, stell nicht solche Fragen, und Bo sagte,
was für Fragen, und sein Blick versuchte, meinen zu halten.
    Ich brauchte Bo nicht, um das Leben
und Schaffen der Frauen aus England zu Papier zu bringen, ich brauchte ihn auch
nicht, um einen Alltag zu haben, ich konnte ohne Bo ins Kino gehen, und die
Oper war ruhig und weniger peinlich, wenn Bo nicht dabei war.

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