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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Den würde er natürlich noch früh genug erfahren. Es war eine kleine Unterlassung bei diesem kurzen Zusammentreffen, das, wie er sich eingestand, nicht eben gut verlaufen war. Und als ehrlicher Mensch mit einem leichten Hang zum Grübeln gestand er sich weiter, daß mit ein Grund für diese Panne die unheimliche Ähnlichkeit war, die diese Frau, sowohl in Erscheinung wie Stimmlage, mit Miss Addison hatte, seiner Lehrerin in der dritten Klasse, die stets dem Motto huldigte, Kinder kämen dann am besten voran und seien am glücklichsten, wenn sie von Anfang an wüßten, wer der Boß ist.
    Miss Spenlove indes hatte die Nachricht mehr erschüttert, als sie sich anmerken ließ. Sobald sie mit der eben bearbeiteten Seite fertig war, rief sie am Empfang an.
    »George, könnten Sie mich bitte mit Mrs. Demery verbinden?« Wenn sie Informationen brauchte, hielt sie sich prinzipiell an die Experten. »Ah, Mrs. Demery? Sagen Sie, da streunt ein junger Mann durchs Haus, der sich als Detective Sergeant von der Metropolitan Police ausgibt. Er hat mir erzählt, Mr. Etienne sei tot, womöglich gar ermordet. Wenn Sie darüber etwas wissen, könnten Sie vielleicht heraufkommen und mich aufklären. Ach ja, und dann hätte ich auch gern meinen Kaffee.«
    Mrs. Demery, die sich in einem solchen Fall nicht zweimal bitten ließ, übergab Miss Blackett in Mandys Obhut und eilte nach oben.

27
    Dalgliesh, und mit ihm Kate, führten die Gespräche mit den übrigen drei Gesellschaftern in Gerard Etiennes Büro. Daniel hatte noch im kleinen Archiv zu tun, wo der Gasmann bereits angefangen hatte, den Ofen auseinanderzunehmen. Sowie er damit fertig war und man die Schlackeproben vom Kamin ins Labor geschickt hatte, würde Aaron nach Wapping aufs Revier fahren und dort den Aufbau der Einsatzzentrale in die Wege leiten. Dalgliesh hatte schon mit dem zuständigen Kommissar gesprochen, der diese Störung nebst der vorübergehenden Beschlagnahme eines seiner Büros mit philosophischer Gelassenheit akzeptierte. Dalgliesh hoffte allerdings, daß die Ermittlungen nicht allzu lange dauern würden. Wenn es hier um Mord ging, woran er persönlich nun nicht mehr zweifelte, dann war die Zahl der möglichen Verdächtigen höchstwahrscheinlich nicht groß.
    Dalgliesh hatte keine Lust, sich an Etiennes Schreibtisch zu setzen, teils aus Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen, vor allem aber deshalb nicht, weil jedes Gespräch über eine Distanz von gut einem Meter zwanzig massiver Eiche unweigerlich eine Förmlichkeit annahm, die die Verdächtigen eher einschüchterte oder gar gegen den Frager aufbrachte, als daß sie ihnen hilfreiche Informationen entlockt hätte. Doch am Fenster stand ein kleiner Konferenztisch aus dem gleichen Holz und mit sechs Stühlen bestückt, an dem sie Platz nahmen. Jeden, der nicht über sehr viel Selbstbeherrschung verfügte, würde der lange Weg von der Tür her einschüchtern, aber er bezweifelte, daß Claudia oder James de Witt sich davon irritieren lassen würden.
    Der Raum war offenbar früher einmal ein Speisezimmer gewesen, aber nun hatte man seine Schönheit durch eine Trennwand entweiht, die nicht nur das ovale Stuckornament an der Decke durchschnitt, sondern auch eins der vier hohen Fenster teilte, die auf die Innocent Passage hinausgingen. Der prächtige Marmorkamin mit dem kunstvoll gemeißelten Fries befand sich in Miss Blacketts Büro. Und hier in Etiennes Zimmer war die Einrichtung – Schreibtisch, Stühle, Konferenztisch und Aktenschränke – geradezu aufdringlich modern. Vielleicht waren die Möbel absichtlich so ausgesucht worden, daß sie nicht hier hereinpaßten, zu den marmornen Halbpfeilern und dem Porphyrgebälk, den beiden prachtvollen Kronleuchtern, von denen einer fast an die Trennwand stieß, und schon gar nicht zu den vergoldeten Bilderrahmen an den blaßgrünen Wänden. Bei den Bildern handelte es sich um traditionelle Landschaften, die mit ziemlicher Sicherheit aus der Viktorianischen Schule stammten. Sie waren gut, aber ein bißchen zu sehr dem Prinzip der Naturtreue verpflichtet und auch zu sentimental für Dalgliesh’ Geschmack. Er konnte sich kaum vorstellen, daß dies die Bilder waren, die ursprünglich hier gehangen hatten, und fragte sich, welche Porträts der Familie Peverell wohl einmal diese Wände geziert haben mochten. Ein Stück von der ursprünglichen Einrichtung war noch vorhanden, ein marmorner, bronzegefaßter Weinkühler, offenbar aus dem Regency. Zumindest ein Andenken an

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