Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
Ich versicherte dem Arzt, daß man mich zu Hause bestens betreuen würde, und weigerte mich, noch länger in der Klinik zu bleiben. Ich bat eine Schwester, Frances anzurufen und ihr Bescheid zu sagen und mir dann ein Taxi zu bestellen. Ich dachte, Frances würde wahrscheinlich auf mich warten, um zu hören, wie der Abend verlaufen sei, und dann machte sie sich womöglich Sorgen, wenn ich um elf noch nicht zurück war. Es war ungefähr halb zwei, als ich endlich heimkam, und ich rief als erstes bei Frances an. Sie wollte, daß ich noch hinaufkäme, aber ich versicherte ihr, daß mit mir alles in Ordnung sei und ich nichts so dringend brauchte wie ein heißes Bad. Sobald ich wieder aus der Wanne war, klingelte ich noch mal bei ihr durch, und sie kam auch sofort herunter.«
    »Und sie bestand nicht darauf, gleich, als Sie heimkamen, nach Ihnen zu sehen?« fragte Dalgliesh.
    »Nein. Frances stört nie, wenn sie glaubt, daß man lieber allein wäre, und ich wollte in dem Moment wirklich für mich bleiben, zumindest eine kleine Weile. Ich war noch nicht darauf eingestellt, Erklärungen abzugeben und mir Mitleidsbeteuerungen anzuhören. Was ich brauchte, waren ein Drink und ein Bad. Beides gönnte ich mir, und dann rief ich Frances an. Ich wußte, daß sie in Sorge um mich war, und darum wollte ich sie nicht bis zum Morgen warten lassen, sondern ihr noch in der Nacht erzählen, was passiert war. Ich hatte gehofft, der Whisky würde mir guttun, tatsächlich aber wurde mir ziemlich übel davon. Ich hatte wohl eine Art verzögerter Schockreaktion. Als Frances schließlich bei mir klopfte, ging es mir gar nicht gut. Wir saßen trotzdem noch ein Weilchen beisammen, und dann bestand sie darauf, daß ich mich ins Bett legte. Sie sagte, sie würde in der Wohnung bleiben, für den Fall, daß ich während der Nacht irgend etwas brauchte. Ich glaube, sie hatte Angst, es könnte mir wesentlich schlechter gehen, als ich zugab, und wollte zur Stelle sein für den Fall, daß man einen Arzt rufen müßte. Ich versuchte nicht, sie umzustimmen, obwohl ich wußte, daß ich wieder auf dem Damm sein würde, wenn ich mich erst mal richtig ausgeschlafen hatte. Ich nahm an, sie würde im Gästezimmer übernachten, aber ich glaube, sie hat sich bloß eine Decke genommen und ist nebenan im Wohnzimmer geblieben. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie jedenfalls fertig angezogen und hatte mir schon eine Tasse Tee gemacht. Sie wollte unbedingt, daß ich zu Hause bliebe, aber als ich angezogen war, fühlte ich mich schon sehr viel besser, und so beschloß ich, in den Verlag rüberzugehen. Wir gingen zusammen und kamen gleich nach der ersten Morgenfähre hier an. Und da erfuhren wir dann auch, daß Gerard verschwunden sei.«
    »Sie hörten es da zum erstenmal?« hakte Dalgliesh nach.
    »Ja. Er hatte die Angewohnheit, abends länger zu arbeiten als die meisten von uns, besonders am Donnerstag. Dafür kam er in der Regel morgens später, außer an den Tagen, an denen wir eine Gesellschafterkonferenz hatten, die er gern Punkt zehn eröffnete. Ich nahm an, er sei am Abend zuvor etwa um die Zeit, als ich zu meiner Lesung fuhr, nach Hause gegangen.«
    »Aber gesehen haben Sie ihn nicht, als Sie zum Connaught Arms aufbrachen?«
    »Nein, gesehen hab’ ich ihn nicht.«
    »Oder ist Ihnen vielleicht jemand begegnet, der nach Innocent House wollte?«
    »Nein, mir ist auch niemand begegnet.«
    »Und als Sie von Mrs. Demery erfuhren, daß Mr. Etienne tot war, da sind Sie zu dritt hier herauf ins kleine Archiv gegangen?«
    »Ja, Stilgoe, de Witt und ich. Es war vermutlich eine ganz natürliche Reaktion auf eine so unfaßbare Nachricht, da hat man irgendwie das Bedürfnis, sich mit eigenen Augen zu überzeugen. James war als erster oben. Stilgoe und ich, wir konnten nicht mit ihm Schritt halten. Claudia kniete noch immer neben ihrem Bruder, als wir reinkamen. Dann stand sie auf, drehte sich zu uns um und streckte uns einen Arm entgegen. Es war eine sonderbare Geste. Als ob sie diese Greueltat dem Blick der Öffentlichkeit freigeben wollte.«
    »Und wie lange haben Sie sich hier oben aufgehalten?«
    »Ach, das kann nicht mal eine Minute gewesen sein. Auch wenn es einem länger vorkam. Da standen wir alle im Türrahmen und schauten, nein starrten ungläubig, entsetzt ins Zimmer. Ich glaube, gesagt hat keiner was. Ich jedenfalls bestimmt nicht. Alles hier im Raum zeichnete sich geradezu überdeutlich ab. Es war, als hätte der Schock die Wahrnehmungskraft meiner

Weitere Kostenlose Bücher