Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
stirbt. Zur Ruhe setzen wird sie sich bestimmt nicht. Für sie ist es eine Ehre, ihr Leben einem Helden Frankreichs zu weihen. Vater hatte und hat sein Leben stets sehr gut organisiert. Ich erzähle Ihnen das, damit Sie wissen, was Sie erwartet. Ich glaube nicht, daß man Sie freundlich aufnehmen wird. Ja, Commander, ist das alles?«
»Ich muß außerdem noch mit den Angehörigen von Sonia Clements sprechen.«
»Sonia Clements? Was für ein Zusammenhang könnte denn wohl zwischen ihrem Selbstmord und Gerards Tod bestehen?«
»Nach unseren bisherigen Erkenntnissen gar keiner. Aber trotzdem müssen wir jeder Spur nachgehen. Also, wie ist es, hat sie nahe Verwandte, oder wohnte sie vielleicht mit irgend jemandem zusammen?«
»Sie hatte nur eine Schwester, mit der sie tatsächlich bis vor drei Jahren zusammengelebt hat, aber dann nicht mehr. Die Schwester ist nämlich Nonne geworden und gehört jetzt zu einer Ordensgemeinschaft in Kemptown bei Brighton. Das Kloster – ich glaube, es heißt St. Anne’s Convent – führt dort ein Sterbehospiz. Ich bin sicher, die Mutter Oberin wird Ihnen gestatten, mit der Schwester der Toten zu sprechen. Mit der Polizei ist es schließlich wie mit dem Finanzamt, nicht wahr? Egal wie unsympathisch sie einem sind oder wie ungelegen sie kommen, reinlassen muß man sie doch. Wollten Sie sonst noch was von mir?«
»Ich möchte Ihnen nur noch sagen, daß das kleine Archiv versiegelt wird. Ja, und ich würde gern auch das Hauptarchiv zusperren.«
»Und für wie lange?«
»Solange es nötig ist. Wird das große Unannehmlichkeiten machen?«
»Selbstverständlich, was denken Sie denn! Gabriel Dauntsey arbeitet oben die alten Akten auf. Er ist ohnehin schon mächtig in Verzug.«
»Ich sehe ein, daß diese Maßnahme lästig ist. Meine Frage war, ob es Ihnen große Unannehmlichkeiten macht. Die Verlagsarbeit kann doch weitergehen, auch ohne daß Sie Zugang zu diesen beiden Räumen haben?«
»Wenn Sie es für nötig halten, müssen wir uns eben darauf einstellen.«
»Ich danke Ihnen.«
Zum Schluß fragte er sie noch nach dem geheimnisvollen Unbekannten, der seit einiger Zeit in Innocent House sein Unwesen trieb, und erkundigte sich, auf welche Weise man versucht habe, den Täter zu überführen. Anscheinend waren die Nachforschungen ebenso oberflächlich wie erfolglos geführt worden.
»Gerard hat die Sache mehr oder weniger mir überlassen, aber ich bin nicht sehr weit vorgedrungen. Alles, was ich tun konnte, war, die Vorfälle der Reihe nach aufzulisten und die Zahl derer zu notieren, die zum fraglichen Zeitpunkt auf dem Anwesen waren oder die möglicherweise als Drahtzieher in Frage kamen. Doch das war praktisch die gesamte Belegschaft, bis auf die wenigen, die krank oder im Urlaub waren. Es sah fast so aus, als ob dieser Kerl jedesmal ganz bewußt zu einer Zeit zuschlug, wenn alle Gesellschafter sowie die meisten Angestellten sich im Haus befanden und mithin die Zahl der Verdächtigen besonders hoch war. Gabriel Dauntsey hat ein Alibi für den letzten Vorfall, dieses Fax, das gestern von hier aus an die Buchhandlung in Cambridge geschickt wurde, in der Esme Carling eine Signierstunde hatte. Er war um die Zeit unterwegs ins Ivy , wo er sich mit einem unserer Autoren zum Lunch verabredet hatte. Aber die übrigen Gesellschafter und die leitenden Angestellten waren alle hier. Gerard und ich sind zwar mit der Fähre nach Greenwich gefahren und haben dort im Trafalgar Tavern zu Mittag gegessen, aber wir sind erst um zwanzig nach eins los. Und das Fax wurde um halb eins abgeschickt. Die Carling sollte um eins ihre Signierstunde beginnen. Aber halt, der jüngste Zwischenfall war ja eigentlich die Sache mit dem Terminkalender meines Bruders – der muß irgendwann am Mittwoch aus seiner Schreibtischschublade entwendet worden sein. Gerard hat gestern früh festgestellt, daß er weg war.«
Dalgliesh sagte: »Erzählen Sie mir von der Schlange.«
»Hissing Sid, meinen Sie? Gott weiß, wann die hier aufgetaucht ist. Ich glaube, es war vor etwa fünf Jahren. Irgendwer hat sie nach einer Weihnachtsfeier vergessen. Miss Blackett pflegte damit die Tür zwischen ihrem und Mr. Peverells Büro offenzuhalten. Langsam wurde sie dann so eine Art Verlagsmaskottchen. Blackie hängt aus irgendeinem Grund sehr daran.«
»Und gestern verlangte Ihr Bruder plötzlich, daß sie die Schlange in den Müll schmeißt?«
»Das hat Ihnen wohl Mrs. Demery erzählt. Aber es stimmt, ja. Er war nach der
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