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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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ringsum ein Meter zwanzig hohe Bücherborde eingebaut, und über die hatte er seine eigenen Drucke und Aquarelle gehängt.
    Im Haus war immer noch eine zarte, feminine Note spürbar, und de Witt hatte auch gar nicht das Bedürfnis, ihm einen mehr maskulinen Stempel aufzuzwingen. Jeden Abend, wenn er in den kleinen, aber eleganten Flur mit der verschossenen Tapete und dem sanft geschwungenen Treppenaufgang kam, hatte er das Gefühl, eine separate, abgeschirmte und rundum angenehme Welt zu betreten. Doch das änderte sich, als er Rupert aufnahm.
    Rupert Farlow hatte vor fünfzehn Jahren seinen ersten Roman bei Peverell veröffentlicht, und James entsann sich heute noch der Mischung aus Spannung und Ergriffenheit, mit der er das Manuskript gelesen hatte, das nicht über eine Agentur eingereicht, sondern direkt an den Verlag geschickt worden war, fehlerhaft getippt auf schlechtem Papier und ohne Anschreiben, nur mit Ruperts Namen und Adresse versehen, als wolle der bislang unbekannte Autor den Lektor mit Gewalt auf die Qualität des Textes stoßen. Ruperts nächster Roman, der zwei Jahre später herauskam, war weniger überschwenglich aufgenommen worden, wie das nach einem spektakulären Erstling beim zweiten Buch oft der Fall ist, aber James war nicht enttäuscht gewesen. Er fand sein Urteil bestätigt, daß hier ein großes Talent heranwuchs. Und dann Funkstille. Rupert ließ sich in London nicht mehr blicken, Briefe und Anrufe blieben unbeantwortet. Es ging das Gerücht, er sei in Nordafrika, Kalifornien, Indien. Dann war er kurzfristig wieder aufgetaucht, aber ohne etwas Neues vorzuweisen. Er hatte überhaupt keinen Roman mehr geschrieben, und jetzt würde auch keiner mehr kommen. Es war Frances Peverell, die James erzählte, sie habe gehört, Rupert Farlow sei an Aids erkrankt und liege in einem Pflegeheim im Westen von London. Sie besuchte ihn nicht, James ging dafür regelmäßig zu ihm. In Ruperts Krankheitsbild war eine vorübergehende Besserung eingetreten, aber das Pflegeheim wußte nicht, was mit ihm geschehen sollte. Seine Wohnung war für einen Kranken ungeeignet, sein Vermieter zeigte wenig Mitgefühl, und Rupert selbst war die Kumpelhaftigkeit im Heim zuwider. Das alles schilderte er, ohne zu klagen; Rupert beklagte sich nie, außer über die Trivialitäten des täglichen Lebens. Seine Krankheit schien er nicht als grausam oder ungerecht zu empfinden, sondern als unabwendbares Schicksal, mit dem sich nicht hadern ließ und in das man sich fügen mußte. Rupert sah dem Tod mutig und mit Würde entgegen, aber er war gleichwohl immer noch der alte Rupert, boshaft oder verschlagen, launisch oder durchtrieben, je nachdem, wie man ihn beschreiben wollte. Eher zögernd und voller Angst, Rupert würde sein Angebot vielleicht mißverstehen oder gar übelnehmen, hatte James schließlich vorgeschlagen, Rupert könne doch zu ihm nach Hillgate Village ziehen. Aber Rupert war sofort einverstanden gewesen, und nun wohnte er schon seit vier Monaten bei ihm.
    Ruhe und Frieden, Ordnung und Geborgenheit – mit alledem war es nun vorbei. Rupert fiel das Treppensteigen schwer, weshalb James ihm ein Bett im Wohnzimmer hergerichtet hatte, wo er den Großteil des Tages verbrachte; wenn die Sonne schien, konnte er von dort aus bequem in den Wintergarten wechseln. Im ersten Stock gab es eine Toilette und eine Dusche sowie eine Kammer, kaum größer als ein Schrank, die James mit Elektrokessel und Kocher zur Behelfsküche umrüstete, damit Rupert sich über Tag einen Kaffee oder überbackenen Toast machen konnte. Der erste Stock war praktisch eine separate Wohnung geworden, die Rupert ganz mit Beschlag belegt und der er auch seinen chaotischen, boshaften und umstürzlerischen Charakter übergestülpt hatte. Paradoxerweise war das Haus, seit es einen Sterbenden beherbergte, längst nicht mehr so ruhig wie zuvor, vielmehr herrschte jetzt ein ständiges Kommen und Gehen: Ruperts alte und neue Freunde gaben sich die Klinke in die Hand, sein Therapeut für die Reflexzonenmassage kam und die Masseuse, nach deren Besuchen es überall nach ätherischen Ölen roch, Pater Michael, der laut Rupert nur auf seine Beichte aus war, dessen Fürsorge er jedoch anscheinend mit der gleichen belustigten Nachsicht über sich ergehen ließ wie die derjenigen, die sich seinen körperlichen Bedürfnissen widmeten. Die Freunde waren, außer am Wochenende, selten mit James zur gleichen Zeit im Haus, aber er fand allabendlich Spuren ihrer Anwesenheit vor

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