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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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anmachen. Ich müßte dauernd an den faulenden Leichnam unter mir denken und an all die prallen, fetten Würmer, die zu seinen Öffnungen rein- und rauskriechen. Trotzdem, was für erstaunliche Dinge du doch weißt, Schätzchen. Mit dir zusammenzusein ist wirklich lehrreich.«
    »Ja«, sagte sie, »ich weiß.« Sie überlegte, ob er damit genau wie sie auf mehr als Geschichtswissen anspielte. »Mit dir zusammenzusein« hatte er gesagt, nicht: »dich zu lieben.«
    Er wandte sich ihr zu und fragte, den Kopf in die Hand gestützt: »War das Begräbnis sehr scheußlich?«
    »So, wie die’s inszeniert hatten, war’s öde und grausig zugleich: Musikberieselung vom Band, ein Sarg, der aussah wie recycelt, die Liturgie so gründlich revidiert, daß niemand sich mehr dran hätte stoßen können, nicht mal der liebe Gott, und ein Pfaffe, der alles tat, um den Eindruck zu erwecken, die Veranstaltung hätte irgendeinen Sinn.«
    Er erwiderte: »Wenn’s bei mir mal soweit ist, dann möchte ich auf einem Scheiterhaufen am Meer verbrannt werden, genau wie Keats.«
    »Shelley.«
    »Na, jedenfalls dieser Dichter. Eine laue, windbewegte Nacht, kein Sarg, jede Menge Alk, und all meine Freunde gehen nackt schwimmen und tanzen anschließend, von mir gewärmt, ums Feuer. Und die Asche würde die nächste Flut mit sich fortspülen. Ja, das wäre mein Wunschtraum. Glaubst du, wenn ich das in mein Testament reinschreibe, werden sich die Hinterbliebenen dran halten?«
    »Verlassen würde ich mich nicht drauf, wenn ich du wäre. Wahrscheinlich landest du ganz normal in Golders Green, wie wir anderen auch.«
    Sein Schlafzimmer war klein, und fast den ganzen Stellraum beanspruchte ein anderthalb Meter breites viktorianisches Messingbett mit Schnörkelzierat und hohen, knaufbewehrten Pfosten, zwischen denen Declan eine viktorianische Patchwork-Decke aufgespannt hatte, die an manchen Stellen schon arg zerschlissen war. Aber wenn sie sich liebten und die Nachttischlampe brannte, dann hing die Decke über ihnen wie ein reichgemusterter Baldachin aus schimmernder Seide und Satin. Ein paar lose Seidenfäden baumelten herunter, und plötzlich hatte Claudia Lust, daran zu ziehen. Die einzelnen Flicken waren von altmodischen Schriftzeichen gesäumt, schwarze, immer noch erkennbare Lettern erzählten hier eine Familiengeschichte mit all ihren Leiden und Freuden, obwohl die Hand, die sie gestickt hatte, längst vermodert war.
    Declans Königreich – und in ihren Augen war es eins – lag eine Etage tiefer. Der Laden und das gesamte Inventar gehörten Mr. Simon – seinen Vornamen kannte sie bis heute nicht –, und der vermietete die beiden oberen Stockwerke zu einem lächerlichen Preis an Declan, entlohnte ihn allerdings umgekehrt ebenso sparsam für seine Dienste als Geschäftsführer. Um Stammkunden zu begrüßen, war Mr. Simon mit seinem schwarzen Scheitelkäppchen immer zur Stelle; gewöhnlich saß er im Laden an einem antiquierten Schreibtisch gleich hinter der Tür. Ansonsten beteiligte er sich wenig am An- und Verkauf, kontrollierte aber gewissenhaft die Einnahmen. Die Schaufenster und der vordere Ausstellungsraum wurden nach seinen Anweisungen dekoriert, und er achtete darauf, daß die schönsten Möbel, Bilder und Kunstgegenstände vorteilhaft zur Geltung kamen. Declan hatte seine Domäne im rückwärtigen Teil des Hauses, in einem langgestreckten Wintergarten aus verstärktem Glas mit je zwei Kunstpalmen an den Schmalseiten. Die schlanken Stämme waren aus Eisen und die Wedel, die leise zitterten, sobald eine Hand sie streute, aus leuchtendgrün bemaltem Blech. Dieser südländisch frivole Touch kontrastierte mit der ansonsten eher weihevollen Aura des Wintergartens, die daher rührte, daß die Scheiben in den unteren Reihen vielfach durch bizarr geformte Buntglasscherben ersetzt waren, die von ausrangierten Kirchenfenstern stammten. Ein richtiges Puzzle war da zusammengekommen: flachshaarige Engel und Märtyrer mit Heiligenschein, lächelnde Apostel, Szenenausschnitte von einer Geburt Christi oder vom Letzten Abendmahl. Details aus pastoralen Gleichnissen, wie etwa eine Hand, die Wein in Krüge füllte, oder andere, die Brotlaibe emporhielten. Und mittendrin lagen Declans Funde kunterbunt auf einer Reihe von Tischen ausgebreitet oder auf Stühlen gestapelt, und hier kramten, staunten und bewunderten seine Kunden und machten ihre Entdeckungen.
    Und es gab allerhand zu entdecken. Declan hatte, wie Claudia gern zugestand, einen guten Blick. Er

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