Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
– Blumen, Zeitschriften, Obst, Flaschen mit süßlich duftenden Ölen. Sie plauderten, kochten Kaffee, wurden mit Drinks bewirtet. Einmal fragte er Rupert: »Na, hat Pater Michael der Wein geschmeckt?«
»Jedenfalls weiß er genau, wo die besten Flaschen stehen.«
»Dann ist’s ja gut.«
James gönnte dem Pater seinen Bordeaux, solange der Mann das, was er trank, zu schätzen wußte.
Er hatte Rupert auf dem Flohmarkt eine Tischglocke aus Messing besorgt, die schrill wie eine Schulglocke gellte und mit der Rupert ihn oben in seinem Schlafzimmer erreichen konnte, falls er nachts Hilfe brauchte. Seit sie die Glocke hatten, schlief James schlecht, war im Unterbewußtsein immer auf diesen lautstarken Weckruf gefaßt und träumte im Halbschlaf von Leichenkarren, die durch das pestverseuchte London rumpelten und deren Kutscher sich mit der Klagelitanei »Schafft eure Toten vors Haus« bemerkbar machten.
Wort für Wort erinnerte er sich an jenes Gespräch vor zwei Monaten, an Ruperts wachsam spöttischen Blick und das herausfordernde Lächeln, mit dem er seinen Zweifeln trotzte.
»Genauso war es, glaub mir! Gerard Etienne wußte, daß Eric Aids hatte, und darum hat er uns zusammengebracht. Ich will mich weiß Gott nicht beklagen, nein, ich konnte mich schon noch selbst entscheiden. Es war ja nicht so, als ob Gerard uns miteinander ins Bett gesteckt hätte.«
»Leider hast du sie nur nicht genutzt, deine Entscheidungsfreiheit.«
»Oh, und ob! Gut, ich behaupte nicht, daß ich lange überlegt hätte. Du hast Eric nie kennengelernt, oder? Er war wunderschön. So was findet man nur ganz selten. Daß einer attraktiv ist, hübsch, sexy, gutaussehend und was der gängigen Adjektive mehr sind, ja, aber wo gibt es schon einen wirklich schönen Menschen? Eric war schön, und ich habe Schönheit schon immer unwiderstehlich gefunden.«
»Und das war alles, was du bei einem Lover gesucht hast, äußerliche Schönheit?«
Rupert hatte ihn nachgeäfft, sanften Spott in Blick und Stimme. »Und das war alles, was du bei einem Lover gesucht hast? Mein lieber James, in was für einer Welt lebst du denn, was bist du eigentlich für ein Mensch? Nein, das war nicht alles, was ich suchte. Aufgepaßt, Vergangenheitsform! Du könntest schon so taktvoll sein, ein bißchen mehr auf deine Grammatik zu achten. Nein, das war nicht alles. Ich wollte jemanden, dem ich auch gefalle und der über gewisse Talente im Bett verfügt. Aber ich habe Eric nicht gefragt, ob ihm Jazz lieber ist als Kammermusik, ob er die Oper dem Ballett vorzieht oder, ganz wichtig, welchen Wein er bevorzugt. Hier ging es um Liebe, Lust, Begehren. Aber du weißt ja gar nicht, wovon ich rede. Genausogut könnte ich jemandem, der kein Gehör hat, Mozart erklären. Also lassen wir das. Fest steht: Gerard Etienne hat uns absichtlich zusammengeführt, zu einer Zeit, als er bereits wußte, daß Eric infiziert war. Vielleicht hoffte er, daß wir uns ineinander verlieben, vielleicht hat er’s sogar darauf angelegt, vielleicht war’s ihm auch gleichgültig, was draus würde. Kann sein, daß er sich bloß einen Spaß machen wollte. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorging. Und es ist mir auch egal. Ich weiß ja nicht mal, was in meinem eigenen abgelaufen ist.«
»Und Eric hat dir, obwohl er wußte, daß er infiziert war, nichts gesagt? Ja, was zum Teufel hat er sich denn dabei gedacht?«
»Zu Anfang hat er’s mir verschwiegen, ja. Später dann hab’ ich’s schon gewußt. Ich mache ihm keinen Vorwurf, und wenn ich es nicht tue, dann kannst du dir deine moralische Entrüstung erst recht sparen. Was er sich dabei gedacht hat, weiß ich auch nicht. Ich spioniere nicht in den Köpfen meiner Freunde herum. Vielleicht wollte er einen Begleiter für die letzte Wegstrecke, bevor er aufbrach, das große Schweigen zu erkunden.« Und dann hatte er noch hinzugefügt: »Vergibst du denn deinen Freunden ihre Fehler nicht auch?«
»Vergebung wäre unter Freunden wohl kaum das richtige Wort. Im übrigen hat mich von meinen Freunden noch keiner mit einer todbringenden Krankheit angesteckt.«
»Aber dazu gibst du ihnen ja eigentlich auch gar keine Gelegenheit, oder, mein lieber James?«
Er hatte nicht lockergelassen, hatte Rupert weiter kühl und beharrlich, wie ein gelernter Detektiv, ausgefragt, denn er mußte unbedingt die Wahrheit aus ihm herausbringen. »Wie kannst du so sicher sein, daß Etienne von Erics Erkrankung wußte?«
»James, nimm mich nicht ins Kreuzverhör. Du hörst
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