Adama: Teil 1 (German Edition)
begrüßte Modibo den Beamten mit Handschlag. Ein
Geldschein knisterte zwischen ihren Handflächen, Jean-Lucs Hand ging
augenblicklich in die vordere Jeanstasche.
„Danke, gut wie immer“, gab der Mann zurück. Seine Stimme klang, als säße ein
Reibeisen in seiner Kehle. Rauchig, sexy. Adama scharrte mit dem Fuß auf dem
Asphalt herum und sperrte die Ohren auf.
„Stellst du mir deinen Freund vor?“ hörte er und blickte hoch, direkt in ein Paar blaue
Augen. Stahlhart und neugierig schauten sie unter den dichten Augenbrauen hervor.
Jean Lucs Lippen waren zu einem amüsanten Lächeln verzogen, die Grübchen
bohrten sich tiefer in die Wangen, doch Adama traute dem freundlichen Eindruck
nicht. Immerhin war der Typ ein Bulle. Instinktiv machte er sich groß, verzichtete auf
einen verbindlichen Ausdruck, nickte nur grimmig, als Modibo ihn vorstellte.
„Ist ein Cousin von mir, er heißt Adama und ist Aushilfe bei mir.“
„Willkommen in Paris. Sprichst du Französisch?“
„Bien sur“, murmelte Adama. Jean Luc stutzte für einen Augenblick.
„Bist du schon lange hier?“
„Ungefähr zwei Wochen“, log Adama.
Jean Luc trat einen Schritt näher zu ihnen. „Wie kommt es nur, Modibo, dass ihr
verwandt seid? Das ist fast ein Wunder! Du kommst doch aus Nigeria und Adama
hier, er klingt wie jemand, der vor kurzem noch die Moschee von Djenné gesehen
hat.“
Der Gendarm legte seine Hand auf Adamas Schulter. „Du stammst also aus Mali,
mein Freund, das höre ich doch. Warum wollt ihr mich verarschen?“
Adamas Blick ging zu Modibo. Dieser senkte seinen Kopf und fluchte lautlos.
„Ich bin kein Unmensch“, sagte Jean Luc. „Achtzig Euro monatlich von Adama und
ihr könnt von mir aus Vater und Sohn sein.“
„Fünfzig!“ Modibo reagierte automatisch, wie ein Pawlowscher Hund. Adama hätte
fast gelächelt. Sein Freund hatte wahrscheinlich bereits im Leib seiner Mutter mit
dieser über die Anzahl der Wehen verhandelt.
„Siebzig“!
„Fünfundfünfzig!“
Adama hörte gespannt zu, wie Modibo sich für ihn ins Zeug legte.
„Fünfundsiebzig!“
„He, was soll das?“
„Achtzig!“
„Jean Luc, du bist schräg drauf heute. Komm morgen wieder“, maulte Modibo und
warf seine Hände in die Luft.
„D’accord. Ich überlege mir einen Preis, darauf kannst du Gift nehmen“, gab Jean
Luc nach, was Adama erstaunte. Jedoch war er geradezu schockiert, als dieser ihm
einen warmen Blick zuwarf und zwinkerte. Hatte der Bulle etwas bemerkt? War er
unvorsichtig mit seinen Blicken gewesen? Nach einem Seitenblick auf Modibo stellte
er erleichtert fest, dass dieser sich nichts bei der Geste dachte. Modibo durfte nicht
wissen, dass er schwul ist. Es käme einer Katastrophe gleich. Bald blickten sie der
schlanken Gestalt des Polizisten nach, der mit federnden Schritten die Stufen der
breiten Treppe hinuntereilte und in den abschüssigen Gassen verschwand.
„Mann, zwanzigtausend Bullen in Paris und wir geraten ausgerechnet an den, der
sich mit afrikanischen Akzenten auskennt“, murmelte Modibo.
Nach ihrer Schicht trennten sie sich. Das Einräumen der Ware war eine Sache von
Sekunden, denn ihre Stoffbahnen waren mit einer Schnur versehen, mit der sie
notfalls mit einem Ruck das Tuch zusammenziehen und die Waren darin
transportieren konnten. Schließlich mussten sie spurten, sobald sich eine
Polizeistreife zeigte. Adama, der seinen Sack Modibo mitgegeben hatte, versuchte
schon seit einer Stunde, seinen knurrenden Magen zu beruhigen. Nun eilte er über
die Rue Chappe zur Metro Station Abesses hinunter. An der Ecke des kleinen
Platzes kaufte er in einer Boulangerie ein belegtes Sandwich und ein Croissant.
Draußen schlug er seine Zähne in das Gebäck und spürte den zarten Schmelz des
Fettes auf seiner Zunge. Kauend schaute er zum Kinderkarussell, das sich zur Musik
drehte. Auf einer Bank ruhten Touristen aus, die Tür zur Kirche St. Jean de
Montmartre stand offen, sodass man die brennenden Kerzen sehen konnte.
Langsam ging er die Rue des Abbesses hinauf. Der Berufsverkehr hatte selbst in den
Gassen zugenommen. Lieferwagen, Autos, Motorräder und unzählige Roller teilten
sich die Straßen und Kreuzungen, ohne in Hektik zu geraten. Es war kein Hupen,
kein Schimpfen zu hören; die Ansässigen kannten die Widrigkeiten des
Straßenverkehrs und regten sich schon lange nicht mehr darüber auf. Überall saßen
Menschen in den Cafés und auf den Trottoirs, die weißen Schürzen
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