Adamas Freunde (Nicht von hier) (German Edition)
obwohl er doch erst dagegen war, nötigte ihm Respekt ab. Adama
war ein guter Freund. Er hatte die Tat auf sich genommen, die Schuld, das Risiko. Wenn
innerhalb der nächsten Woche nichts Besonderes passierte, waren sie gerettet. Modibo
starrte auf den Bildschirm und zuckte plötzlich zusammen, als er merkte, dass ihm das
Kinn auf die Brust fiel. Schlaf war nötig heute. Er rappelte sich auf, schaute noch einmal
nach Adama, doch er konnte nicht abschätzen, ob er schlief oder nur die Augen
geschlossen hatte. Behutsam zog er eine Decke über dessen Schulter. Seine Wange
glänzte feucht. Modibo kehrte ins Wohnzimmer zurück, stellte den Fernseher ab und
ging auf den Flur hinaus, um die verdreckte Gemeinschaftstoilette aufzusuchen. Morgen
war ein neuer Tag.
Der kommende Tag nahm den Ereignissen nichts von ihrer Wirklichkeit. Adama war mit
Kopfschmerzen erwacht und eine weitere Stunde im Bett geblieben, den Blick zur
vergilbten Zimmerdecke gerichtet. Als die Sonne ihre Strahlen durch das schiefe Rollo
schickte, kamen sie Adama grau und schwach vor. Alle Empfindungen verloren an
Leuchtkraft - seine Hoffnungen, seine Freude über den guten Start, seine Wünsche an
die Zukunft. Warum war er überhaupt hier? Am liebsten wäre er wieder eingeschlafen
und nie mehr aufgewacht. Als Modibo vor dem Bett stand, lächelte er vorsichtshalber.
Modibos Miene war besorgt, vielleicht bereute er seine Tat. Bald darauf stand er auf, um
Modibo keinen Anlass für Misstrauen zu geben. Schließlich hatte sein Freund ein
großes Risiko und eine schwere Tat auf sich genommen, um ihm zu helfen. Das musste
er anerkennen. Doch den ganzen Vormittag über schauten sie sich nur verlegen an und
sprachen nur das Nötigste miteinander. Adama war es recht.
Am Sacre Coeur liefen die Geschäfte gut. Im August war die Stadt fest in den Händen
der Touristen und sowohl er als auch Modibo sackten eine Menge Münzen und Scheine
ein.
„Mal sehen, wie lange dieses Geld uns gehört“, sagte Modibo, nachdem er die prall
gefüllte Bauchtasche getätschelt hatte, die er sich umgeschnallt hatte.
„Was meinst du damit?“ fragte Adama und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Na, irgendwann wird der nächste Bulle kommen.“
Adama biss sich auf die Lippen, als täte das Loch in seinem Herzen nicht weh genug.
„Hab ich ganz vergessen“, murmelte er. Ihm war egal, wer seinen Anteil kassierte. Er
schloss die Augen und rief sich den lässigen Gang Jean Lucs in Erinnerung. Dieses
Lächeln, das kantige Kinn mit dem Dreitagebart. Schnell riss er die Lider wieder auf und
schaute Modibo an, der gerade die Hand eines Kumpels schüttelte, der vor ihm stehen
geblieben war. Am liebsten hätte er gefragt: wirst du den nächsten Bullen auch wieder
töten? Doch dann fühlte er sich schäbig. Modibo hatte ihn schützen wollen. Adama
senkte den Kopf und schluckte die Übelkeit hinunter, die ihn den ganzen Tag schon
plagte.
Als sie wieder allein waren, sagte Modibo: „Abdul ist nicht aufgetaucht. Karim vermutet,
dass er erwischt worden ist.“
„So ein Pech“, sagte Adama trocken und knetete seine Nasenwurzel. Modibo wandte
sich ab und Adama konnte seine Verärgerung spüren. Versöhnlich legte er seine Hand
auf die Schulter seines Freundes.
„Modibo, jemand wird sich um uns kümmern.“
„Ja, bestimmt. Fragt sich nur, ob wir damit besser fahren?“
„Das müssen wir abwarten. Wir können nichts mehr tun.“
Modibo lächelte. „Ja, wir haben schon genug getan, nicht wahr?“
Eine Hitzewelle erfasste Adama, doch er nahm sich zusammen.
„Ja, genau“, gab er zurück und versuchte sich an einem kleinen Lächeln, das Modibo
scheu erwiderte. Und zum ersten Mal an diesem Tag schien die Verlegenheit, die sie
trennte, gebrochen zu sein.
Trotzdem erlebte Adama die Welt um sich herum nur gedämpft durch einen
Wattebausch . Alle Geräusche waren gedämmt, das Licht der weißen Kirchenmauern
verblasste und selbst Jeanne d’ Arc auf ihrem Pferd schien die Hand nur mit letzter Kraft
zu erheben. Am Abend fiel er erschöpft ins Bett. Niemand hatte sich gemeldet wegen
Abdul oder Jean Luc. Sie waren allein, wie sie immer allein gewesen waren. Adama
spürte, wie sich die Haare an seinem Unterarm durch eine plötzliche Kühle aufrichteten
und zog sich fröstelnd zusammen, obwohl die warme Nachtluft mit Auspuffgasen und
Bratenduft durch das Fenster drang. Er würde immer allein sein. Jean Luc würde ihn nie
mehr umarmen und küssen. Und wer sonst würde sich ernsthaft mit einem wie
Weitere Kostenlose Bücher