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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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albern. »Edward, so kann man doch nicht heißen. Pferde heißen Edward. Ich kannte jemanden, der hatte ein Pferd, das Edward hieß. War kein schönes Pferd. Schöne Pferde heißen auch nicht Edward. Die heißen Smaragd oder Feuerschwert. So heißen die schönen Pferde, Junge.«
    Sie zog einen dicken Umschlag aus ihrer Kitteltasche und überreichte ihn Jack.
    »Was ist das?«, fragte ich. Im Gegensatz zu mir schien der King sich nicht über das Kuvert zu wundern.
    »Eine Landkarte, Junge«, brummte die Huberin.
    Jack und sie tauschten einen beredten Blick aus, während Mama mit ihrem Notizblock durch die Wohnung flatterte und von alldem nichts mitbekam.
    Wir fuhren an der Schule vorbei. Dort parkte der Bus, in dem meine Klassenkameraden saßen.
    »Jack, da war der Bus.«
    »Habe ich gesehen.« Er lachte. »Ed, hast du wirklich Lust, mit zwanzig dämlichen Kindern in eine schäbige Jugendherberge zu fahren? Mindestens drei von denen pissen nachts ins Bett, und das sind meistens die nettesten. Aber wenn man unter ihnen liegt, tropft die Pisse auf einen drauf. Nett hin oder her. Deshalb machen wir zwei etwas anderes. So etwas Ähnliches wie Ferien. Wie gefällt dir das?«
    Natürlich gefiel mir das gut. Wir hielten an der nächsten Raststätte an. Jack öffnete den Umschlag von der Huberin. Er enthielt tatsächlich eine Landkarte, übersät mit roten Markierungen. Bewaffnet mit einem präparierten Schuhlöffel begaben wir uns auf einen Raubzug. Der Schuhlöffel war mit doppelseitigem Klebeband umwickelt. Während Jack sich von einem Geistlichen die Beichte abnehmen lassen würde, sollte ich mit dem Schuhlöffel den Opferstock leeren, Scheine wie Münzen würden am Klebeband hängen bleiben. So etwas Ähnliches wie Ferien halt.
    Die Huberin hatte sämtliche katholischen Kirchen auf der Karte gekennzeichnet, vor etlichen Jahren hatte sie auf die gleiche Weise ein paar tausend Mark verdient. Jack Moss wollte seiner Frau die Reise nach Venedig schenken. Er hatte ausgerechnet, dass sie mindestens anderthalb Jahre brauchen würde, bis sie das Geld selbst zusammenhätte.
    »So lange soll sie nicht warten, Ed. Man weiß nie, wie viel Zeit man noch hat. Und deine Mutter hat es mehr als alle anderen Menschen auf der Welt verdient, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Weil sie…« Und dann nahm er seine rechte Hand vom Lenkrad und fasste sich an die Brust. »Weil sie… In ihrem Herzen, Ed, kann man wohnen.«
    Wir hielten vor der ersten Kirche, der King gab mir Anweisungen. Ich hatte Angst. »Hör mal, Ed. Das hier ist der schlimmste Verein überhaupt. Wer hat Jesus getötet?«
    »Die Sizilianer.«
    »Genau. Aber die hier geben dir die Schuld.«
    »Mir?«
    »Ja. Und deiner Mutter und deiner Oma.«
    Es war durchaus vorstellbar, dass Lara Cohen jemanden ans Kreuz nageln würde, aber Mama? Niemals.
    »Aber… wir haben damals doch gar nicht gelebt, wie…«
    »Die hier geben den Juden die Schuld. Allen Juden. Dir, deiner Mutter, deiner Oma, allen. Und für diese Gemeinheit lassen wir uns jetzt entschädigen.«
    Das ergab Sinn. In der ersten Kirche fischte ich achtundzwanzig Mark aus dem Opferstock, während Jack im Beichtstuhl weinte. Wir trafen genaue Verabredungen. »Ich habe mit drei Huren geschlafen« war das Stichwort für mich, Geld und Schuhlöffel verschwinden zu lassen. Manche Kirchen waren leer, dann kniete sich Jack in die erste Reihe und behielt die Tür der Sakristei im Auge. Ein Husten bedeutete, dass jemand kam und ich mich verdrücken musste. Sollte ich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen erwischt werden, würde der King Entsetzen über den kriminellen Nachwuchs mimen und mich ordentlich zusammenstauchen. Ich war noch nicht strafmündig, mir konnte also nichts geschehen.
    Wir fuhren durch Dörfer und Städte, und unser Geld vermehrte sich. Routiniert verrichteten wir unsere Arbeit. Am fünften Tag allerdings vergaß Jack die Huren, und der Pfarrer erwischte mich, als ich gerade ein paar Münzen vom Schuhlöffel kratzte. Aber ehe der Gottesdiener auch nur ein Wort sagen konnte, spielte der King das Jüngste Gericht und schlug mich windelweich. Er drosch auf mich ein wie damals auf das Fenster seines Volvos, wie auf die Wand unserer falschen Burg. Meine Lippe platzte auf und blutete. Mir wurde schwindelig. Meine Augen suchten Jacks und flehten ihn stumm an aufzuhören, aber er sah mich nicht, er sah mich einfach nicht. In diesem Moment bekam ich Angst, der einzige Gott der Elefanten würde mich einfach tothauen. Das war

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