Adams Erbe (German Edition)
Ding auf dem Rücken trat ich vor Jack und die Cohen-Frauen, um Natürlichkeit bemüht. Aber wo um Gottes willen sollte ich hingehen? Der King rettete mich.
»Komm, Ed, ich bring dich zur Schule.«
Wir fuhren in den Frankfurter Zoo, begrüßten Jacks Herde und legten uns auf eine Bank in die Sonne. Ich ließ kleine Rauchkringel in die Frühlingsluft aufsteigen.
»Wenn Oma uns jetzt sehen könnte«, sagte ich und lachte.
»Sie würde uns bemitleiden.«
»Bemitleiden? Warum?«
»Weil sie sich nicht vorstellen kann, dass wir glücklich sind.«
»Aber wir sind glücklich.«
Und dann erzählte mir Jack die Geschichte von den Kaliken, einem kleinen Volk mit irischem Einschlag, das vor 800 Jahren auf Feuerland gelebt hatte. Zu jener Zeit bewohnte auch der Stamm der Gorindas diese Inseln. Beide Völker litten unter den eisigen Temperaturen ihrer Heimat. Ständig mussten sie Robbenbabys erschlagen, um sich aus deren Fellen Mäntel und Decken zu nähen, die die Kälte doch niemals ganz abzuhalten vermochten. Das Frieren wollte einfach nicht aufhören. Der Kalikenkaiser war ein sanftmütiger Mann und hatte Mitleid mit den Robbenkindern. Auf einem Esel, begleitet von seinem Hofnarren, begab sich der Kaiser auf eine Expedition. Getrieben von der Hoffnung, Herr über die Kälte zu werden und dem Gemetzel ein Ende zu setzen, durchquerten sie das ganze Land. Aber erst auf dem Rückweg, als sie, enttäuscht und müde, schon fast wieder zu Hause waren, entdeckten sie einen Vulkan, in dessen Krater dickflüssige Lavamassen brodelten. Es war der Hofnarr, dessen empfindliche Füße auf der langen Reise halb erfroren waren, der augenblicklich hinaufeilte und um den Krater tanzte. Schweißgebadet und mit glühendem Gesicht trat er wieder vor den Kaiser. Dem Narren war so warm, dass er den restlichen Weg ohne Mantel zurücklegte.
Der Kaiser führte sein Volk zu dem Vulkan, und die Kaliken siedelten sich am Fuß des brennenden Berges an. Anfangs fürchteten sie sich entsetzlich, aber sie vertrauten ihrem Kaiser und stiegen jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend gemeinsam mit ihm zum Krater hinauf und tanzten, tanzten, bis die Hitze des Berges ihre Körper durchdrungen hatte.
Sie waren glücklich und hätten es für immer sein können, wären da nicht die Gorindas gewesen. Ihr Häuptling wollte nicht glauben, dass es möglich war, auf einem Vulkan zu tanzen. Er konnte nicht glauben, dass es möglich war, die Kälte zu bezwingen. Er schickte Gesandte zum Kalikenkaiser mit immer neuen Begründungen für seine Zweifel. Zuerst lachte der Kaiser, aber irgendwann reichte es ihm. Er schickte einen Boten zu den Gorindas mit einer Einladung. Sie alle sollten kommen und mit eigenen Augen den Tanz der Kaliken sehen.
Und so geschah es, dass sich die Gorindas am Fuß des Berges sammelten, und ihr Häuptling sprach zu den Kaliken: »Wir halten euren Kaiser für einen Lügner. Jeder, der auf einem Vulkan tanzt, fällt früher oder später in den Krater und verbrennt.«
Und die Kaliken erinnerten sich wieder an ihre anfängliche Angst, und ihre Schritte wurden unsicher. Die Hitze, die aus dem Krater stieg, verwandelte sich in etwas Bedrohliches. Dann fiel der Erste hinein, die Lava des Berges erstickte seinen Schmerzensschrei. Furcht packte einen nach dem anderen. Sie stolperten, sie fielen, sie verbrannten. Die letzten zwei, die noch tanzten, waren der Kaiser und sein Hofnarr. Sie tanzten wie in Trance, bis das Gelächter der Gorindas sie in die Wirklichkeit zurückholte.
»Kalikenkaiser, du bist ein Lügner, ein armer Lügner. Schau doch selbst, dein ganzes Volk ist verbrannt, nur der Narr ist dir geblieben, und Narren seid ihr beide.«
Die Gorindas zogen ab.
»Ich hätte meine geliebten Kaliken nicht hierherbringen dürfen«, sagte der Kaiser und weinte. »Dieser elende, elende Berg.«
»Euer Majestät, der Berg ist unschuldig«, antwortete ihm der treue Hofnarr. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte den gebrochenen Herrscher nicht trösten. Noch am selben Abend stürzte sich der Kalikenkaiser in den Krater. Der Narr jedoch tanzte noch viele Jahre auf dem Vulkan.
Manchmal kamen die Gorindas, um ihm zuzusehen, wie er leichtfüßig um das Feuer tanzte.
»Ach, es ist nur der Narr. Ein Narr kann wohl auf dem Vulkan tanzen, deshalb ist er ja ein Narr«, sagten sie zueinander.
Lara Cohens Besuch dauerte eine unendlich lange Woche, am längsten erschien sie wohl meiner Mutter. Denn im Gegensatz zu Jack und mir hatte sie keine Ausrede,
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