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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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egal war. Nur für Edda tat es mir leid, dass Adam niemals ein großer Fiedler werden würde.
    »Waren Sie denn gut, Herr Leutnant, als Sie noch…«
    »Als ich noch Finger hatte?«
    »Ja.«
    »Ich… Ich war gutes Mittelmaß, aber mit der richtigen Leidenschaft. Dein Vater und ich, wir haben oft zusammen gespielt. Er auf dem Klavier, ich auf der Geige.«
    »Mein Vater hat Klavier gespielt?«
    »Das wusstest du nicht?«
    »Nein.«
    Bussler schüttelte traurig den Kopf. »Das wusstest du nicht?«
    Was sollte daran so schrecklich sein, schließlich wusste ich fast nichts über meinen Vater.
    Nach einer Pause fragte er mit leiser Stimme: »Wie hat sich Max… Also… Wie hat er sich das Leben genommen?«
    »Mit einem Kissen. Er hat sich erstickt.«
    »Armer Max. Armer, armer Max.«
    Und weil ich das Gefühl hatte, den Maestro trösten zu müssen, erklärte ich ihm, dass mein Vater wirklich gehen wollte, wirklich und wahrhaftig. Sonst hätte er das gar nicht geschafft.
    »Adam, dein Vater ist an der Liebe zu Deutschland gestorben.«
    »Nein, er hat sich mit einem Kissen erstickt.«
    »Das ist das Gleiche. Er hat dieses Land und den Kaiser zu sehr geliebt. Oder eher die Idee davon, ja, die Idee. Aber lieben wir nicht immer die Idee?«
    Er verstand anscheinend nicht, was ich ihm gesagt hatte, und ich verstand nicht, was er da redete. Also machten wir mit dem Unterricht weiter. Und ich glaube, wir waren beide erleichtert, als die Stunde vorbei war. Ich überreichte Bussler den Umschlag, den Edda mir für ihn mitgegeben hatte, und packte die Geige wieder in ihren Kasten.
    Während das Gesicht der Republik sich wandelte und der schnurrbärtige August immer mächtiger wurde, lebte ich glücklich und zufrieden in der sicheren Welt, die Edda für mich geschaffen hatte. Über drei Jahre lang lief ich einmal die Woche zu Bussler, ich erreichte niemals auch nur Mittelmaß. Erträglich ist wohl das Wort, das mein Können am treffendsten beschrieb.
    Es war im Sommer 1932. Edda feierte einen der vielen Geburtstage von Hugo, und ich spielte ihr eines der vier Lieder vor, die ich auf der Geige beherrschte, als Bussler an die Tür klopfte.
    »Maestro, das ist Ihr Werk«, sagte sie nicht ohne Stolz.
    Er lächelte gequält und verneigte sich.
    »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Leider kann ich Adam nicht mehr unterrichten.«
    Und dann erzählte er uns, dass er für eine Zeitlang nach München gehen werde.
    »Ist es die Politik, Bussler?«
    Er nickte. »Hitler wird es schaffen.«
    »Es gibt Leute, die behaupten etwas anderes.«
    »Wer?«
    »Hupfi zum Beispiel.«
    »Hupfi ist Kommunist«, sagte er verächtlich.
    »Na ja, jeder scheint ja neuerdings etwas zu sein, das gehört wohl zum guten Ton«
    »Sie sollten zumindest zugeben, dass Hitler ein großer…«
    Da lachte Edda laut auf. »Bussler, haben Sie ihn schon einmal über die Juden sprechen hören? Ich schon.«
    »Ja. Aber… Er… er meint doch nicht Juden wie Sie, sondern…«
    »Bussler, mein Lieber, Sie reden dummes Zeug.«
    »Er… er ist nicht der Einzige, der seine Vorbehalte gegenüber dem bolschewistischen Weltjudentum hat… Ich meine, selbst Bismarck…«
    »Ja, ja, Bismarck, immer Bismarck. Vorbehalte gehören also offenbar schon lange zum guten Ton. Aber jetzt lassen Sie uns anstoßen und adieu sagen.«
    Sie füllte die Gläser mit ein wenig zu viel Schwung.
    »Frau Klingmann, Sie sind doch nicht das bolschewistische Weltjudentum.«
    »Bussler, Ruhe jetzt.«
    Und sie leerten den Asbach, und der Leutnant schwor meiner Großmutter, die einst mit zwei Goldbarren sein Leben gerettet hatte, ewige Freundschaft. Und er trank auf Max, auf meinen Vater, der ihm auch das Leben gerettet hatte. Er trank auf alle Klingmanns und alle Cohens und auf die Bewegung und auf seinen Führer. Nach jedem Schluck legte er seine Hände, die wie zwei tote Mäuse aussahen, flach auf den Tisch.
    »Ich bin zu jung, um nicht mehr auf bessere Zeiten zu hoffen, verstehen Sie das?«
    Frau Klingmann seufzte und lächelte. »Natürlich, Maestro, man ist immer zu jung, um nicht mehr zu hoffen.«
    »Und ich bin zu jung, um auf das Gefühl, gebraucht zu werden, verzichten zu können.«
    Edda tätschelte die zwei schwarzen Ledermäuse. »Natürlich, natürlich, mein Lieber.«
    Sie saßen noch eine ganze Weile schweigend beisammen, bis der Leutnant sich erhob. In diesem Moment wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich packte die Geige in ihren Koffer und versperrte Bussler den Weg.
    »Herr Leutnant, warten

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