Adams Erbe (German Edition)
der Hugo…«
»Was war denn mit dem Hugo?«
Und dann lächelte sie und seufzte. »Das ist eine große Geschichte, Adam.«
Das Konkreteste, was ich je über die große Geschichte erfuhr, war, dass Hugo Asbach eine edle Stirn hatte. Einmal habe ich meine Mutter dazu befragt.
»Ach Adam, sei doch nicht so dumm, sie braucht einfach nur eine Entschuldigung, um zu trinken.«
Aber das wollte ich nicht glauben und werde es auch nie glauben.
Meine Mutter sah aus wie eine vertrocknete Blume, sprach stets leise und bewegte sich lautlos wie ein Gespenst durch die Wohnung. Nur wenn sie mir ein schlimmes Ende prophezeite, schepperte ihre Stimme, und manchmal stampfte sie sogar mit dem Fuß auf.
Sie war die Einzige, die das Zimmer ihres Mannes betreten durfte. Sie brachte ihm sein Essen, leerte seinen Nachttopf, wusch ihn, und vielleicht, aber da bin ich mir nicht sicher, unterhielten sie sich auch manchmal.
Früher fragte ich sie oft, ob mein Vater irgendwann rauskommen würde oder ob ich nicht vielleicht doch zu ihm reingehen dürfte. Die Antwort war immer nur ein Kopfschütteln. Ich wusste zwar, dass mein Land, das Land, das mein Vater so sehr liebte, den Krieg verloren hatte. Dennoch verstand ich nicht, warum er sich deshalb wegschließen musste. Edda Klingmann versuchte, es mir zu erklären.
»Enttäuschung.«
»Wer hat ihn enttäuscht?«
»Wo soll ich anfangen? Seine Eltern, der Kaiser, die Heimat und schließlich deine Mutter. Und jetzt bleibt er lieber da, wo ihn niemand mehr enttäuschen kann.«
Weil mein Vater nicht mehr zur Verfügung stand, hatte Edda Klingmann das Kommando übernommen und sorgte für uns.
Einmal im Monat kam Herr Guldner aus der Schweiz, und wenn er auftauchte, musste ich den Dachboden verlassen. Sie machten Geschäfte miteinander. Selbst meine Mutter wusste nicht, was das für Geschäfte waren.
»Ich hoffe, es ist legal«, sagte sie manchmal mit ihrer leisen Stimme, aber deutlichere Kritik wagte sie nicht. Schließlich ernährten uns diese geheimnisvollen Geschäfte, und sie ernährten uns gut. Auch später, als andere ihr wertloses Geld säckeweise zum Bäcker schleppten, bezahlten wir mit Dollar. Lange Zeit hielt Edda Klingmann alle Sorgen von uns fern. Und so durfte ich mit dem Gefühl aufwachsen, dass mir nichts passieren konnte.
Strund gab sich alle Mühe mit meinem Unterricht, aber es ist wirklich schwer, jemandem, der ständig auf und ab geht, das Lesen und Schreiben beizubringen. Es dauerte fast zwei Jahre, bis ich es einigermaßen beherrschte. Und während ich mich mit dem Alphabet abmühte, das mir noch heute nicht logisch erscheinen will, suchte Edda nach meinem verborgenen Talent. Weil Adam ja einmal Großes vollbringen würde.
»Strund, was meinen Sie, ist Adam ein Poet?«
»Puh«, machte der arme Strund. »Das… Wer weiß, wer weiß.«
Am nächsten Tag schenkte Edda mir ein in Leder gebundenes Notizbuch, und eine Woche später versammelte sich ein Großteil von »Eddas Mischpoke« auf dem Dachboden, um meine Gedichte zu hören. Es war eigentlich nur ein einziges Gedicht.
Moses half uns sämtliche Stühle nach oben tragen und zum Dank durfte er Frau Klingmann Edda nennen und an dieser denkwürdigen Veranstaltung teilnehmen.
Meine Großmutter hatte mir aus einem ihrer alten Kleider einen Umhang nähen lassen. Eingewickelt in den roten Samt, mein Notizbuch in der Hand, stand ich auf dem Tisch. Der Tisch hatte drei heile und ein viertes, kaputtes Bein, das unentwegt klackerte.
In der ersten Reihe saß Luigi. Neben ihm Hupfi – Gustav Hupfner –, ein arbeitsloser Schreiner. Dann Mieze, eine Schauspielerin. In der hintersten Ecke mein Lehrer Strund und an den Türrahmen gelehnt Moses. An die restlichen Zuschauer kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ich trat von einem Bein auf das andere, während ich sprach:
» Der schöne Mund vom Strund. Ein Gedicht von Adam Cohen.
Der Strund, der Strund, er hat einen schönen Mund.
Edda sagt, er ist gewagt, der schöne Mund vom Strund.
Und er hat einen Bart, der Strund mit dem schönen Mund.
Herr Strund, Herr Strund, warum haben Sie nur so einen schönen Mund?
Der Strund hat einen gewagten Mund und einen Bart unter dem Mund.
Und das ist die Geschichte von Strund mit dem schönen Mund.«
Einen Moment lang war es ganz still, aber dann applaudierte Edda. »Er ist ein Poet, schaut ihn euch an. Bravo!«
Und dann klatschten sie alle, und ich verbeugte mich so oft, bis mir schwindelig wurde.
Manchmal, wenn Edda allein sein wollte oder
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