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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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aufhören.« Es klang hilflos und bedrohlich zugleich. Unsere Blicke trafen sich. Was kann man nicht alles sagen mit einem einzigen lila Augenaufschlag? Anton sollte, nein, Anton musste die Ängste eines zweifelnden Unterscharführers und die Reue eines kotzenden Scharführers für immer vergessen.
    Zwei Zigaretten später schüttelten wir uns die Hände, sagten freundliche Abschiedsworte, die nichts meinten und nichts wollten.
    Und wo warst du, Anna, während der Januar zum Februar wurde? Wo warst du, während jüdische Männer auf den Straßen, die ich entlangfuhr, Schnee schippen mussten? Unter Aufsicht. Unter Tritten und Schlägen. Wo warst du, während Dr.   Hans Frank tagelang Chopin spielte? Immer wieder Chopin. Dem Schnee und Chopin hatte man im besetzten Polen die Schönheit geraubt. Was hatte dieser entstellte, zerstückelte Flecken Erde dir bereits genommen?
    Busslers polnisches Geduldsspiel begann mir in meinem zweiten Rosenzüchterwinter unerträglich zu werden. Meine Beine zappelten jede Nacht. Sie wollten losrennen und dich finden, Anna.
    An einem Samstagmorgen siegten meine unruhigen Füße über alle mahnenden Worte meines Sturmbannführers.
    Ich nahm den Omnibus nach Krakau. Noch einmal wollte ich in die Straße des Hutmachers. Und während der Fahrt entfachte das Fünkchen Hoffnung in mir einen prachtvollen Großbrand.
    Dieses Mal zuckte ich bei dem Schrillen der Türglocke nicht zusammen. Es klang in meinen Ohren geradezu verheißungsvoll.
    Wie lange dauerte es, bis das Feuer der Hoffnung niedergebrannt war? Eine Stunde? Zwei?
    Und wie oft rammte ich dann die Schulter gegen die verschlossene Tür, bis sie endlich nachgab?
    Hundertmal? Zweihundert?
    Holz splitterte, und obwohl ich einen Heidenlärm machte, kam kein Nachbar, um nach dem Rechten zu sehen.
    Waren sie alle nicht zu Hause? Hielt sie die Angst zurück?
    Vielleicht gehörte auch ein Fremder, der fremde Türen eintritt, schon lange zu ihrem deutsch-polnischen Alltag.
    Dreimal, so wie es Menschen, die an Märchen glauben, zu tun pflegen, rief ich laut deinen Namen.
    Aber keiner war da. Weder du noch der Mann, der mir damals die Tür geöffnet hatte.
    Ich wütete wie ein Wahnsinniger in der Zweizimmerwohnung. Ich riss Bücher aus den Regalen, leerte Schubladen, Kisten und Schränke. Augusts Verein hätte mir sicher Beifall geklatscht für die Rücksichtslosigkeit, mit der ich diese Hausdurchsuchung vornahm.
    Erst die näher kommenden Stimmen zweier Männer brachten mich zur Besinnung. Einen Augenblick lang bestaunte ich das Chaos, das ich selbst angerichtet hatte.
    »Richard, die Tür ist kaputt.«
    Ich sah mich um. Die Besenkammer stand offen. Ich sprang hinein und zog die dünne Türe viel zu laut hinter mir zu. Ich hörte Schritte und meinen eigenen Atem. Durch das Schlüsselloch sah ich zwei Männer in Wehrmachtsuniform. Offensichtlich wohnten sie hier. Wo war der Pole mit den schwarzen Augenringen?
    »Ich gehe telefonieren«, sagte der, der nicht Richard hieß, und marschierte los. Richard kam auf die Besenkammer zu. Ich bemühte mich, leiser zu atmen, aber es gelang mir einfach nicht. Auch wenn Edda Klingmann mich das Fürchten nicht gelehrt hatte, etwas ließ meinen Körper erstarren. Nur eine Holzplatte trennte den Soldaten von mir. Er hob seinen Arm, und ich dachte, jetzt würde er die Tür aufreißen. Aber er machte einen Schritt nach links, griff nach einem Stuhl und setzte sich hin. Ich konnte nur noch seinen Rücken und die Stuhllehne sehen. Vorsichtig richtete ich mich auf. Während meine Ohren sich weiterhin auf Richard konzentrierten, durchforsteten meine Augen die Besenkammer. Eimer, Konserven und ein paar Lappen. Auf Augenhöhe ein rostiger Nagel, und an diesem Nagel ein Stück Band. Zerrissen, zerfetzt. Ein Band, wie Mädchen es in ihren Haaren tragen. Selbst in dem spärlichen Licht, das durch die Türritze fiel, habe ich es erkannt. Die Farbe war verblasst, aber es war deins, nicht wahr? Himmelblau. Es war einmal himmelblau. Ein Band, das Blumen und Träume zusammenhalten kann.
    Ich versuchte, das Stückchen Stoff abzumachen. Wilde Freude ließ meinen eben noch starren Körper beben. Es gab nur noch den blauen Stoff, der sich hartnäckig an diesen rostigen Nagel klammerte. Der erste Knoten war gelöst. Ich zerrte an dem zweiten. Meine Hand rutschte aus. Scheppern. Ein Stapel Konserven krachte auf die Dielen. Richard riss die Tür auf und stand vor mir.
    Einen Moment lang sahen wir uns direkt in die Augen. Noch immer zog

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