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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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kleineren Wohnung. Die Sturmbannwohnung hatte ein anderer Sturmbannführer, der eine Frau und sechs Kinder vorzuweisen hatte, bekommen. Die Kiste mit den Familienfotos, mit den Bildern von dem Jungen und dem Hündchen hatte Bussler mitgenommen, denn die neuen Besitzer wollten die fremden Erinnerungsstücke augenblicklich entsorgen.
    Die neue Behausung war nur spärlich möbliert. Die meiste Zeit lagen wir auf einem dicken, flauschigen Teppich im Wohnzimmer.
    Wir tranken, wir tranken viel. Als unsere Vorräte zur Neige gingen, verließen wir die Wohnung. Einzig und allein, um eine nahe gelegene Kneipe aufzusuchen und dort weiterzutrinken. Hermann, der Wirt, begrüßte Bussler als Stammgast, mit ausgesuchter Freundlichkeit. Wir blieben, bis Hermann Feierabend machte, und kauften dann noch zwei Flaschen Schnaps für zu Hause. Alkohol, der eigentliche Herrscher des besetzten Polens.
    Ich war nun schon fast ein Jahr der Rosenzüchter des Generalgouverneurs. Und wie viele Monate waren vergangen, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen hatte? Vierundzwanzig, Anna, vierundzwanzig. Aber dein Gesicht erschien mir niemals verschwommen, und wenn ich meine Augen schloss, konnte ich deine Stimme hören, kann sie noch immer hören.
    »Bussler, vielleicht sollte ich nochmals in die Straße…«
    »Sie ist nicht dort.«
    »Aber vielleicht weiß dieser Mann, der mir die Türe aufgemacht hat…«
    »Schluss jetzt. Bitte, Adam. Im neuen Jahr finden wir sie.« Diesen letzten Satz wiederholte er immer wieder während jener trunkenen Tage in Krakau. Und er erzählte mir zum ersten Mal von seinen Sturmbannsorgen. Es gab Leute beim SD, die ihn gerne loswerden wollten, weil er zu alt, zu verstümmelt, zu kinderlos und zu nachdenklich war. Aber sein Chef, Heydrich, dessen Bild auf Eddas Dachboden einmal Asbachtränen vergossen hatte, hielt seine schützende Hand über Bussler, weil er Achtung vor dessen neun verlorenen Fingern hatte. Und nicht nur davor. »Ich bin einer der wenigen ohne Doktortitel, ich glaube, das schätzt er«, sagte Bussler.
    Im Januar verließ der Rest der Familie Wreden Kressendorf und zog nach Warschau. Dort besaß Egon Wreden inzwischen zwei große Fabriken. Lena und Bernadette kamen, um mir auf Wiedersehen zu sagen, der Abschied schien beiden Schwestern schwerzufallen.
    Ich versprach ihnen, sie zu besuchen, ihnen zu schreiben und sie nicht zu vergessen.
    »Anton will bei dir bleiben.« Bernadette trug das Ghettomäntelchen und überreichte mir ihre Puppe, die ebenfalls in rotem Samt steckte. »Und hier sind ihre Kleider.« Mit ernster Miene legte sie einen Beutel auf den Tisch.
    »Aber ich komme Anton doch besuchen«, sagte ich. »Er… sie möchte vielleicht mit dir nach Warschau gehen.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein.«
    »Dann danke ich dir, Bernadette. Ich werde gut auf Anton aufpassen.«
    Nur eine Woche später gebar Anita einen Jungen. Bubi kam eigens nach Kressendorf, um mir die Nachricht zu verkünden.
    »Wir werden ihn Egon Horst nennen, nach Anitas Vater und ihrem Großvater. Ich wollte, dass er Egon Horst Anton heißt, aber Anita meint, das wären zu viele Namen.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Außerdem glaube ich, dass sie dich… dass sie… dich nicht mag.« Er sah mich durch den Rauch hindurch an. »Sie meint, dass mit dir irgendetwas nicht stimmen würde.«
    »So? Und was?« Anton, der Adams jüdisches Herz verbarg, bemühte sich um Gleichgültigkeit.
    Bubi zuckte mit den Schultern. »Ich denke, Anita hat dir das mit den bettelnden Juden nicht verziehen.«
    »Meine Güte, das waren Kinder, kleine Mädchen mit Lumpen an den Füßen, mit…«
    »Juden«, unterbrach er mich. Einen Moment lang verdüsterte sich das Violett seiner Augen, und die Lippen wurden zu blassem Marmor.
    »Wie sieht er aus?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    »Wer?«
    »Egon Horst.«
    Des Scharführers Lächeln ließ den steinernen Mund bröckeln. »Er ist wahnsinnig groß. Er kommt nach Anita. Nur die Augen, die hat er von mir«, sagte er stolz. »Anton, ich glaube, ich habe alles richtig gemacht… also mit… mit Anita.«
    Ich musste lachen. »Vor einem Monat wolltest du ihr noch den Hals umdrehen.« Ein Knall, so laut wie ein Schuss in polnischen Nächten, hallte durch die Küche und ließ Adam und Anton gleichermaßen zusammenfahren.
    »Sag so was nicht.« Bubis Fäuste, die er mit voller Wucht auf den Tisch gehauen hatte, glühten rot.
    »Aber Bubi, das hast du doch selbst…«
    »Schluss. Aufhören,

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